Abreise
von Rom
Rückkehr
nach Berlin
34.6 DIENSTZEUGNIS
sagen, wenn der Marmor erklärte, ihm allein gebühre Anerkennung und
Lob.“ Auch Karl Hillebrand erklärte unser Volk für ein bedauerlich
unpolitisches, weil es weniger als andere Völker, und insbesondere als die
Franzosen, Engländer und Italiener, den Parteistandpunkt dem allgemeinen
Wohl unterzuordnen wisse, auch mehr als andere zu Doktrinarismus und
Ideologie neige, zu gründlich, bisweilen schwerfällig gründlich sei, sich
nicht selten in verstiegenen Gedankengängen gefalle. Ich dachte wieder an
das, was mir einst über dasselbe Thema mein Vater und die Prinzessin
Marie-Ghiselaine Arenberg gesagt hatten, dachte an Goethes böses Wort
über die Miserabilität der Deutschen als Ganzes.
Herr von Keudell hatte die Freundlichkeit, mich bei meiner Abreise von
Rom selbst an die Bahn zu bringen. Als ich neunzehn Jahre später Bot-
schafter in Rom wurde, legte mir der damalige Kanzleivorstand, der
treffliche Geheime Hofrat Stock, einen bei den Akten der Botschaft be-
findlichen Bericht vor, den am 10. Mai 1875 der Gesandte von Keudell über
mich an Bismarck erstattet hatte. Es hieß in diesem Bericht: ‚Der
Referendar Bernhard von Bülow hat die kurze Zeit seiner hiesigen Ver-
wendung sehr gut benutzt, die ihm übertragenen Arbeiten in zweck-
dienlicher Weise erledigt und sich in der hiesigen ersten Gesellschaft schnell
eine gute Stellung zu machen vermocht. Ich zweifle nicht, daß dieser im
Verhältnis zu seinen Jahren schon sehr gereifte Beamte jedes ihm an-
zuweisende Dienstverhältnis angemessen auszufüllen wissen wird.“ In Genf,
wohin ich mich, dem Wunsche meines Vaters entsprechend, begeben hatte,
ging ich an meine französische Prüfungsarbeit. Sie wurde mir fast leichter
als meine beiden deutschen Examensarbeiten. Die französische Sprache ist
nicht nur flacher, sondern auch ärmer als die deutsche. Man vergleiche den
„Faust“ von Goethe mit der „Athalie‘“ von Racine! Wie Orgelklang tönt
der Faust, wie das Zirpen der Grille die Athalie. Aber gerade wegen des
geringeren Reichtums der französischen Sprache ist es für denjenigen, der
sie beherrscht, weniger schwer, in ihr den richtigen Ausdruck zu finden als
im Deutschen.
Als ich Ende Mai 1875 in Berlin eintraf, erwartete mich eine Ein-
ladung zu einer Soiree, die am Abend im Hausministerium stattfinden
sollte und zu der die kronprinzlichen Herrschaften ihr Erscheinen zu-
gesagt hatten. Der Kronprinz beehrte meinen Vater mit einer langen
Ansprache. Der hohe Herr sah sorgenvoll aus, mein Vater war sichtlich
bemüht, ihn zu beruhigen. Als die kronprinzlichen Herrschaften sich zu-
rückgezogen hatten, verabschiedete sich mein Vater mit mir bei Mimi
Schleinitz, unserer liebenswürdigen Gastgeberin, und forderte mich zu
einem Spaziergang in der zu vorgerückter Stunde menschenleeren Behren-
straße auf.