Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Fritz 
v. Holstein 
386 BISMARCKS PERE JOSEPH 
nicht darauf einlassen wird. Er wird sich sagen, daß, sobald er uns den 
Besitz von Elsaß-Lothringen garantiert, Rußland die Trumpfkarte aus der 
Hand gibt, mit der es, so lange die Franzosen hoffen können, mit russischer 
Hilfe früher oder später unsere Reichslande wiederzubekommen, in Frank- 
reich jeden Stich machen kann, welche auch die französische Regierungs- 
form sein möge, die große Karte, die gegenüber jeder französischen Re- 
gierung und jeder französischen Partei immer sticht und gewinnt.“ 3. „In 
acht bis vierzehn Tagen wird Kaiser Alexander II. mit Gortschakow in 
Berlin erwartet. Bismarck hat Andrässy eingeladen, während der An- 
wesenheit des Zaren und des Fürsten Gortschakow nach Berlin zukommen, 
um persönlich Fühlung mit den Moskowitern zu nehmen. Die Andrässysche 
Note vom 30. Dezember soll die Basıs bilden, auf der man zu einem 
praktischen Ausgleich zwischen der Pforte und den Insurgenten und damit 
zur endlichen Beruhigung in der Herzegowina zu kommen hofft.“ 4. „Wir 
werden uns an den bevorstehenden russisch-österreichischen Besprechungen 
nicht unmittelbar beteiligen. Wir erklären aber schon jetzt, daß wir unsere 
moralische Unterstützung jeder friedlichen Lösung gewähren werden, über 
die unsere russischen und österreichischen Freunde sich einigen. Das 
Einvernehmen zwischen Rußland und Österreich ist und bleibt die Voraus- 
setzung für jede verständige, das heißt für eine friedliche Regelung der 
Orientalischen Frage. Unsere Aufgabe besteht darin, ein solches Einver- 
nehmen unter Berücksichtigung der allgemeinen europäischen Verhältnisse 
in jeder Weise zu fördern.“ 
Über meine persönliche Zukunft sagte mir mein Vater, er habe eigentlich 
beabsichtigt, mich an die Pariser Botschaft zu versetzen, dieser sein Wunsch 
sei aber von Holstein durchkreuzt worden. „Wer ist eigentlich Hol- 
stein ?“ frug ich meinen Vater. „Ich kenne ihn so gut wie gar nicht, habe 
ihn nur einmal bei Herbert getroffen und ein anderes Mal abends bei der 
Fürstin Bismarck. Wir haben kaum zusammen gesprochen.“ Mein Vater 
antwortete: „Wer Holstein ist? Ja, mein guter Peter (als ich ein kleiner 
Junge war, nannte mich mein Vater scherzweise, besonders wenn er platt- 
deutsch mit mir sprach, Peter), diese Frage ist nicht so leicht zu beant- 
worten. Fritz von Holstein kam als blutjunger, noch ganz unfertiger Mensch 
als Attache zu Bismarck nach Petersburg. Seitdem spielt er bei unserm 
großen Mann die Rolle, die bei einem andern großen Mann, bei Richelieu, 
der Pere Joseph gespielt haben soll.‘“ Nach einer kurzen Pause fügte mein 
Vater hinzu: ‚Mir ıst Holstein im Grunde unheimlich. Ich habe das auch 
Bismarck gesagt und ihn vor Holstein gewarnt. Der Fürst meinte, er müsse 
einen Menschen haben, auf den er sich ganz und gar verlassen könne. Als 
ich replizierte, er wisse doch, daß er sich auf mich verlassen könne, meinte 
der Fürst lächelnd: ‚Ja, aber nur für das Gute! Ich muß aber zuweilen auch
	        
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