Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER ÖSTERREICHISCHE HOFRAT 391 
Feinden des neuen, starken Deutschen Reichs herzlich gefreut haben. 
Persönlich war Graf Hübner ein liebenswürdiger Greis. Mit seinem glatt 
rasierten Gesicht und seiner gemessenen Redeweise ein Bild der Metter- 
nichschen Ära. Ich verdanke ihm, der mir, wo ich ihm begegnete, im Klub 
und im Prater, liebenswürdig entgegenkam, manchen interessanten Auf- 
schluß über österreichische Geschichte und über Altösterreich. 
Die Namen der großen Wiener Hofchargen, die 1876 zum Empfang in 
der Deutschen Botschaft erschienen, sprachen von der stolzen Vergangen- 
heit der habsburgischen Monarchie. Der Oberstkämmerer Graf Folliot de 
Crenneville, der Oberststallmeister Graf von Grünne, der General- 
adjutant Graf von Bellegarde, der Generalmajor Graf Bylandt gehörten 
Familien an, die seit der Zeit, wo das Haus Habsburg über die Niederlande 
gebot, in habsburgischen Diensten standen. Viele Offiziere der kaiserlichen 
Suite stammten aus dem „Reich“, wie man in alter Zeit in Wien sagte: 
die Taxis und Bechtolsheim aus Bayern, die Wimpffen und Hornstein vom 
Neckar, der damalige Vorstand der Militärkanzlei des Kaisers und spätere 
Chef des Generalstabes, Friedrich von Beck, und der schneidige Kavallerist 
Leopold von Edelsheim aus Baden, die Gablenz und Globig aus Sachsen, 
die Kielmannsegg, Löhneisen und Wersebe aus Hannover. Auch in der 
Front des k.k. Heeres dienten damals noch manche Norddeutsche: Lühe 
und Bülow, Oertzen und Hammerstein. 
Die politische Stimmung gegenüber dem neuen Deutschen Reich war 
in den bürgerlichen Wiener Kreisen im großen und ganzen freundschaft- 
licher und insbesondere aufrichtiger freundschaftlich als in der öster- 
reichischen Aristokratie. 1876 lebte noch „‚der alte Plener“‘, der erst 1906 
fast hundertjährig verstorbene Ignaz Edler von Plener. In schwierigen 
Zeiten, von 1860 bis 1865 war er Finanzminister, von 1867 bis 1870 im so- 
genannten Bürgerministerium Handelsminister gewesen. Ein erfahrener, 
vorsichtiger Verwaltungsbeamter. Ein würdiger Typus des k.k. Hofrats, 
den die Magyaren und Tschechen, die Slowaken und Polen haßten und 
schmähten, die „Bedientenvölker“, wie sie in seinem Gedicht Hebbel 
zornig gescholten hatte. In Deutschland, namentlich in Berlin, spottete man 
gern und nicht immer geschmackvoll über den österreichischen Hofrat. Mit 
Unrecht, denn er hatte seit der großen Maria Theresia und dem feurig- 
edlen Joseph II. die vielsprachige Monarchie fleißig und ehrlich verwaltet. 
Ihm verdanken die Nationen mit den „struppigen Karyatidenhäuptern“ 
das bißchen Ordnung, Sauberkeit und wirkliche Kultur, das sie besitzen. 
Dem Sohn des alten Plener, Ernst von Plener, der von 1893 bis 1895 öster- 
reichischer Finanzminister, später Präsident des österreichisch-ungarischen 
Obersten Rechnungshofes und während vieler Jahre Führer der Liberalen 
im Reichsrat war, bin ich im Verlaufe meines Lebens noch manchmal 
Hofchargen 
Ignaz 
von Plener 
Ernst 
von Plener
	        
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