Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

IViener 
Gesellschaft 
400 WIEN 
weniger liebenswürdig, als dieser gewesen sein soll. Makart war sehr ein- 
silbig. Als er einmal bei einem Souper eine Stunde lang neben der witzigen 
Schauspielerin Fräulein Gallmeyer gesessen hatte, ohne den Mund aufzutun, 
sagte sie endlich zu ihm: ‚‚Makart, sprechen wir von etwas anderem.“ Ich 
erfreute mich an dem sprühenden Witz des alten Villers, der es in der 
diplomatischen Karriere nicht weiter als bis zum Sekretär der Sächsischen 
Gesandtschaft in Wien gebracht hatte, der aber mehr Geist besaß als 
zwanzig Durchschnittsdiplomaten zusammen. | 
Unter den Freundinnen der Gräfin Marie Dönhoff erweckte die Gräfin 
Katinka Andrässy durch ihre Schönheit Aufmerksamkeit, durch ihren 
starken und vorurteilslosen Geist Interesse. Sie hing mit großer Liebe an 
ihrem Gyula. Die beiden waren sich zwanzig Jahre früher in Paris begegnet, 
Katinka als junge siebenbürgische Komteß Kendeffy, die viel auf der 
Österreichischen Botschaft verkehrte, Gyula als exilierter siebenbürgischer 
Rebell, der von derselben Botschaft vigiliert wurde, die später von ihm 
Erlasse und Instruktionen erhalten sollte. Eine andere interessante Dame 
im Salon der Gräfin Dönhoff war die Gräfin Marie Festetics, die intime 
Freundin des Grafen und der Gräfin Andrässy und langjährige vertraute 
Hofdame der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Der österreichische Ge- 
schichtschreiber Heinrich Friedjung sagte mir später einmal, die Gräfin 
Marie Festetics wisse mehr, Wichtigeres und Interessanteres über die 
Österreichische Geschichte in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahr- 
hunderts als die ganze Wiener Kaiserliche Akademie der Wissenschaften. 
Häufige Gäste der Gräfin Dönhoff waren die vier Schwestern Liechten- 
stein, wie sie in Wien genannt wurden, die verwitwete Fürstin Anna 
Trautmannsdorff, die Prinzessin Franziska Arenberg, die Fürstin Marie 
Kinsky und die Fürstin Elise Salm. Namentlich letztere war meiner Frau 
und später auch mir bis zu ihrem bald nach meiner Ernennung zum Bot- 
schafter in Rom erfolgten zu frühen Tod eine treue Freundin. Sie war eine 
jener Frauen, wie Wien sie hervorbringt, eine Frau von vollkommener 
Natürlichkeit und angeborener Vornehmheit und deshalb von sicherem 
Takt, die Anmut mit originellem Geist verband, die vor allem, und zwar 
nicht nur in Worten, sondern wirklich, das vielgerühmte „goldene Wiener 
Herz‘ besaß. 
Ich durfte die Gräfin Marie Dönhoff von Zeit zu Zeit in den Stadtpark 
oder in den Volksgarten begleiten. Den Volksgarten hatte Kaiser Franz 
(Gott erhalte Franz den Kaiser) nach dem deutschen Befreiungskriege für 
seine lieben Wiener angelegt. Diesen Beweis landesväterlichen Wohl- 
wollens erhielten sic im Jahre der Karlsbader Beschlüsse, der Einführung der 
Zensur für Zeitungen und Bücher, der Auflösung der patriotischen Burschen- 
schaften und des Verbotes des Körper und Geist stärkenden Turnens. Trotz-
	        
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