Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

EIN BAD IM PIRÄUS 42] 
Anmut. Ihrer Hofdame, der nicht hübschen aber klugen Miß Charlotte 
Knollys, bin ich in meinem späteren Leben öfters wieder begegnet. Nicht lange 
nachher suchte der Herzog von Edinburgh, der zweite Sohn der Königin 
Victoria, mit einem größeren englischen Geschwader, das er kommandierte, 
für einige Wochen die griechischen Gewässer auf. Die Offiziere des Geschwa- 
ders machten aus ihren russenfeindlichen Gefühlen kein Hehl. Als einmal 
wieder an Bord des Flaggschiffes sehr auf die Russen geschimpft wurde, 
meinte der Herzog von Edinburgh nicht ohne Gereiztheit, er bitte, nicht zu 
vergessen, daß er mit einer Russin, der einzigen Tochter des Kaisers 
Alexander Il., verheiratet sei. In respektvoller Haltung, in ganz ruhigem 
Ton, aber auch mit völliger Unbefangenheit erwiderte ein englischer See- 
offizier: „I know Sir. I would not like to be married to a russian lady.“ 
Der Engländer versteht es, gute Formen mit vollkommener Selbständig- 
keit und unter Umständen großer Ungeniertheit zu verbinden. Unter den 
Offizieren des Geschwaders befand sich auch Prinz Louis Batten- 
berg, ein Sohn des Prinzen Alexander von Hessen-Darmstadt aus seiner 
morganatischen Ehe mit der Gräfin Julie Hauke. Louis Battenberg war 
schon damals ganz zum Engländer geworden und hat denn auch, als der 
Weltkrieg ausbrach, seine deutsche Heimat so völlig verleugnet, daß er 
seinen deutschen Namen mit dem englischen ‚„Mountbatten Marqueß of 
Milford Haven‘ vertauschte. 
Als die Prinzessin von Wales Athen verließ, begleitete ich sie mit dem 
österreichischen Gesandten Baron Münch und dem italienischen Ge- 
sandten Grafen Maffei bis zum Piräus. Es war ein schöner Junimorgen. 
Obwohl die Fischer am Ufer uns warnten, ein Bad zu nehmen, da das in 
dieser Jahreszeit gefährlich sei, konnten wir der Versuchung nicht wider- 
stehen, uns in die Fluten zu stürzen und eine gute Stunde in dem klaren 
Wasser umherzuschwimmen. Die Griechen hatten uns aber nicht mit 
Unrecht gewarnt. Drei Tage später wurde Münch von einem bösen Fieber 
befallen. Sein Zustand verschlimmerte sich bald so sehr, daß ich einen 
katholischen Geistlichen aufsuchte und ihn bat, dem Kranken die Sterbe- 
sakramente zu reichen. Münch, der längere Zeit als Botschaftsrat in Berlin 
fungiert hatte, war gut beim Fürsten Bismarck angeschrieben, der schon 
den Vater, den darmstädtischen Gesandten beim Bundestag, gern gemocht 
hatte. Der arme Kranke wußte, daß er zum österreichisch-ungarischen 
Botschafter in Berlin bestimmt war. In seinen Fieberphantasien war er 
unablässig mit diesem Gedanken beschäftigt. Noch während der Geistliche 
die Sterbegebete sprach, stöhnte Münch: „Ich will nach Berlin! Nur fort 
von hier, heraus aus Griechenland, nach Berlin.‘ Allmählich verstummten 
seine Klagen, dann sein Röcheln, und er starb. Seine Familie schenkte mir 
zum Andenken an ihn ein schönes Aquarell des Parthenon, auf dem die
	        
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