Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

GOETHES GEDICHTE 431 
Karl Alexander von Weimar ausdrückte, „un Monsieur tres bien apparente“. 
Für solche Ausflüge pflegte ich von jeher ein Buch in die Tasche zu stecken. 
Diesmal griff ich zu Goethes Gedichten. Die Gräfin Marie Dönhuff hatte 
mir ein Jahr vorher das Buch in Wien geschenkt, nachdem sie mir mit leiser 
Stimme, aber mit tiefem Gefühl das Lied an den Mond vorgelesen hatte: 
Füllest wieder Busch und Tal 
Still mit Nebelglanz, 
Lösest endlich auch einmal 
Meine Seele ganz. 
Warum stand plötzlich ihr Bild vor mir unter den Ruinen des Athene- 
tempels, während am Himmel der Mond aufstieg und der blaue Saronische 
Golf zwischen den Tempelsäulen durchschimmerte? Ich sah deutlich ihre 
zarte Gestalt vor mir, ihr schmales, süßes Gesichtchen, ihre wunderbaren 
Augen. Aber sie war fern, so fern wie der Mond, der auch in Ägina Busch 
und Tal still mit Nebelglanz füllte. 
Was von Menschen nicht gewußt, 
Oder nicht bedacht, 
Durch das Labyrinth der Brust 
Wandelt in der Nacht. 
Leichter als von Ägina und Salamis, vom Erechtheion und vom Par- 
thenon trennte ich mich von den Menschen in Griechenland. Nach dem 
Tode des guten Münch hatte mir unter meinen diplomatischen Kollegen 
kaum einer nähergestanden. Von den geschwätzigen griechischen Politikern, 
die von dem neuen Byzantinischen Kaiserreich und dem nach ihrer Be- 
hauptung hierdurch herbeizuführenden allgemeinen Kulturfortschritt 
träumten, trennte ich mich noch leichter als vom Corps diplomatique. 
Schwerer wurde mir in Athen der Abschied von zwei deutschen Gelehrten, 
die mir dort der liebste Umgang gewesen waren. Der Vorstand des Archäo- 
logischen Instituts, Professor Ulrich Köhler, führte mich in Thucydides 
ein, dem sein besonderes Interesse und seine ganze Bewunderung galten. 
Er hatte beides auf mich übertragen. Der Direktor der Athener Sternwarte, 
Professor Julius Schmidt, ein Oldenburger, wurde der Mond-Schmidt 
genannt, weil er, so oft der Mond sichtbar war, in seinem Observatorium vor 
dem Fernrohr stand, um die Mondoberfläche zu erforschen. Er hatte schon 
1856 ein Standard-Work über den Mond geschrieben. 1866 hatte er das 
Ergebnis seiner Beobachtungen über die Mondrillen veröffentlicht. Während 
ich in Athen weilte, nahm er im Auftrag und mit Unterstützung‘ des 
preußischen Kultusministeriums die Karte der Mondgebirge auf. Er war 
Deutsche 
Gelehrte 
in Athen
	        
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