Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

EIN SENTIMENTALES KOMPLIMENT 4.4.3 
Vergeblich appellierte der zu dieser Beratung zugelassene rumänische 
Ministerpräsident Bratianu in einer schönen Rede an den „Grand Conseil 
Europeen et particulierement aux illustres representants de Sa Majeste 
l’Empereur de toutes les Russies, dont nous avons eu si souvent 
l’occasion d’apprecier l’esprit eEleve et le caur magnanime.“ Dieses sen- 
timentale Kompliment rührte weder Graf Schuwalow noch gar Fürst 
Gortschakow. Fürst Bismarck trat mit Entschiedenheit für die russische 
Rückforderung von Bessarabien ein. Er drang sogar auf Beschleunigung der 
Verhandlungen gerade über diesen Punkt. Er hoffe, daß die Donaufürsten- 
tümer sich mit der Anerkennung ihrer Unabhängigkeit zufriedengeben 
würden. „L’euvre du Congres“, führte er aus, „ne saurait, a mon avis 
&tre durable si un sentiment de dignite blessee subsistait dans la politique, 
ä venir d’un grand Eınpire. Quelle que soit ma sympathie pour l’Etat de 
Roumanie, dont le Souverain appartient a la famille Imperiale d’Allemagne, 
je ne dois m’inspirer que de l’interet general qui conseille de donner une 
nouvelle garantie a la paix de l’Europe.“ 
Die von Rußland hartnäckig betriebene und endlich durchgesetzte 
Wiedereroberung von Bessarabien hat die Rumänen tief gekränkt. Nachdem 
die rumänische Armee unter ihrem tapferen und kriegskundigen Fürsten 
Carol den Russen während des Balkankrieges wertvolle Dienste geleistet 
hatte, erschien das Vorgehen der Russen gegen ihren früheren Bundes- 
genossen den Rumänen als ein Akt brutaler Undankbarkeit. Seitdem schloß 
sich Rumänien mehr und mehr den Dreibundmächten und insbesondere 
Deutschland an. Während ich zehn Jahre später Gesandter in Bukarest 
war, gelang es, zuerst einen für uns vorteilhaften Handelsvertrag mit 
Rumänien abzuschließen, dann ein politisches Bündnis, das uns für den 
Fall, daß wir von Rußland angegriffen werden sollten, die Kooperation von 
Rumänien sicherte. Erst die ungeheuren Fehler, die unsere Politik im 
Sommer 1914 beging, zerrissen den Draht, der länger als zwei Dezennien 
Rumänien mit dem Deutschen Reich verbunden hatte.
	        
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