Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

‚Andrässy 
und 
IIaymerle 
Die 
Franzosen 
448 DER NUMISMATIKER 
Neben ihm fiel Andrässy ab. Aber bei manchen Lücken und einigen 
Schwächen fehlte es dem Ungarn nicht an praktischem Blick. Er wußte in 
Berlin den Augenblick zu ergreifen und erkannte, daß er nichts Klügeres 
tun könne, als sich und sein Land der Bismarckschen Leitung über- 
lassen. Sein Kollege und späterer Nachfolger, der Freiherr von Haymerle, 
war ein ängstlicher K.-u.-k.-Bürokrat, der Bismarck ebenso mißfiel, wie 
ihm der flotte, elegante Andrässy gefiel. Mit Bezug auf Haymerle, mehr 
noch auf die schikanöse und dabei doch nicht resolute Politik der Öster- 
reicher gegenüber ihren Nationalitäten und schwächeren Nachbarn erzählte 
Bismarck gern eine kleine Anekdote aus seiner Jugend. Er habe einmal in 
einem englischen Waffenladen einen Revolver kaufen wollen und nach 
einem zierlichen, eleganten, aber kleinen Exemplar gegriffen. Der Ver- 
käufer habe ihm zu einem größeren Revolver mit den Worten geraten: 
„A small bullet excites a man, a strong bullet stops him.“ 
Der italienische Vertreter Corti machte in Berlin aus Überschlauheit 
eine große Dummheit. Im Verlauf einer längeren Unterredung mit ihm ließ 
Bismarck die Bemerkung fallen, daß jetzt für Italien der günstige Augenblick 
gekommen sei, die Hand auf Tunis zu legen. Corti kam sich sehr listig 
vor, als er erwiderte: „Vous voulez donc nous brouiller avec la France.“ 
Hätte Corti damals zugegriffen, so besäße Italien heute das beste und 
zukunftsreichste Stück der afrikanischen Nordküste. 
Die bescheidenste Rolle auf dem Kongreß spielte die französische 
Delegation. Nicht als ob sie von deutscher Seite vernachlässigt oder gar 
schlecht behandelt worden wäre. Im Gegenteil wurden gerade die franzö- 
sischen Vertreter bei Hofe und in der Berliner Gesellschaft mit großer 
Liebenswürdigkeit und besonderer Aufmerksamkeit behandelt. Auch Fürst 
Bismarck war gegen die Franzosen von konstanter und ausgesuchter 
Höflichkeit. Aber die französische Vertretung war keine brillante. Der 
erste französische Delegierte, Waddington, war von Geburt Engländer. 
Naturalisierter Franzose, war er durch und durch französischer Patriot. 
Es fehlten ihm jedoch die traditionellen Eigenschaften des Franzosen. Er 
sah wie ein Gelehrter aus und hatte Sprechweise und Manieren eines solchen. 
Als er einmal in Paris bei einem großen Diner neben der Schauspielerin 
Sarah Bernhardt saß, die seinen Namen nicht verstanden hatte, nicht 
wußte, wer er war, und seine Konversation langweilig fand, frug sie den ihr 
gegenüber sitzenden Gambetta, wer ihr lederner Nachbar eigentlich sei. 
Lächelnd erwiderte der große Tribun: ‚Ne faites pas attention ä lui, c’est 
un numismate.‘‘ Waddington war ein guter Münzenkenner und eifriger 
Sammler. Der zweite französische Bevollmächtigte, Mr. Desprez, der 
Direktor der politischen Abteilung im französischen Ministerium des 
Äußern, war ein älterer, gediegener, aber bescheidener und sehr reservierter
	        
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