IM WEISSEN SAAL 451
Einladungen ergangen waren. Dem kronprinzlichen Paar gegenüber saß
Fürst Bismarck, rechts von ihm Andrässy, dann Beaconsfield, Schuwalow,
Kärolyi, Salisbury, Oubril, Russel und mein Vater. Links von Bismarck
saßen Waddington, Corti, Karatheodory, St-Vallier, Launay, Sadullah,
Desprez, Mehemed-Ali, Hohenlohe. Der Kronprinz, dem zur Rechten die
Kronprinzessin, zur Linken die Großherzogin von Baden saßen, brachte,
wieder in französischer Sprache, den nachstehenden Toast aus: „Die
Hoffnungen, mit denen ich vor einem Monat im Namen des Kaisers die
zum Kongreß vereinigten ausgezeichneten Staatsmänner begrüßt habe,
sind glücklicherweise in Erfüllung gegangen. Das von Europa so sehr ge-
wünschte Friedenswerk krönt Ihre Anstrengungen. Als Dolmetsch der
Gefühle meines erhabenen Vaters bin ich glücklich, meine Huldigung der
Weisheit und dem Geist der Versöhnung darzubringen, die dieses große
Resultat herbeigeführt haben. Das Einverständnis, das erzielt wurde, wird
eine neue Bürgschaft für den Frieden und für das allgemeine Wohl sein.
Der Beistand Deutschlands ist im voraus allem gesichert, was darauf ab-
zielt, diese großen Wohltaten zu sichern und zu erhalten. Im Namen Seiner
Majestät trinke ich auf das Wohlsein der Souveräne und Regierungen,
deren Vertreter an dem denkwürdigen Datum dieses Tages unterzeichnet
haben den Vertrag von Berlin.“ Ich saß neben Herbert Bismarck. In
gehobener Stimmung und mit stolzem Ausdruck sagte er zu mir: „Das ist
heute ein großer Tag. Heute vor vier Jahren schoß der elende Böttcher-
geselle Kullmann aus einem Terzerol auf meinen Vater und verwundete ihn
am rechten Handgelenk. Heute hat mein Vater den Berliner Vertrag unter-
zeichnet. 1814 fand der Europäische Kongreß in Wien statt. 1856 wurde der
Pariser Friede unterzeichnet. Jetzt erlebten wir den Berliner Kongreß
und heute den Berliner Frieden. Prost, mein alter Bülow!“
Nicht nur für die amtliche Stellung des Grafen Peter Schuwalow,
sondern für die Weiterentwicklung der Weltgeschichte war es kein Glück,
daß er seine Abreise aus Berlin allzu lange verzögerte. Graf Schuwalow war
ein kluger, gewandter, liebenswürdiger und vornehmer Mann, aber wie so
manche Russen huldigte er mehr als gut der Aphrodite pandemos. Bei
seinen abendlichen Spaziergängen auf der Friedrichstraße, die er so
ungeniert unternahm, daß er von der Berliner Polizei in diskreter Weise
überwacht wurde, damit ihm keine Unannehmlichkeiten zustießen, hatte
er die Bekanntschaft einer gefälligen Schönen gemacht, aus deren Armen
sich loszureißen ihm schwer wurde. So kam es, daß Gortschakow vor ihm
in Petersburg bei Kaiser Alexander II. eintraf. Wie im alten plattdeutschen
Märchen war der Swinegel schneller zur Stelle als der Hase. Mein Freund,
der russische Flügeladjutant Baron von Ungern-Sternberg, hat mir mehrere
Jahre später das Wiedersehen zwischen Peter Schuwalow und dem Zaren
29°
Peter
Schuwalows
Mißgeschick