Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER PRINZ VON WALES IN PARIS 457 
der Präsident der Republik, der Marschall Mac Mahon, am 1. Mai 1878 
mit großem Pomp eröffnet hatte. Ich habe sie mir nicht angesehen. Ich 
finde es ganz in der Ordnung, daß der Techniker Weltausstellungen besucht 
und eifrig studiert, denn hier kann er Vergleiche anstellen, erkennen, wo 
der andere voraus und wo er selbst noch im Rückstande ist. Wer aber, wie 
ich, nicht Fachmann ist und dabei ohne ‚‚Cant‘ (man erlaube mir den 
trefflichen englischen Ausdruck), dem sei es vergönnt, oflen zu sagen, daß 
nichts gleichzeitig ermüdender und langweiliger ist als eine Ausstellung 
und nun gar eine Weltausstellung. Der Anblick eines schönen Bildes, die 
Lektüre eines guten Buches gewähren mir mehr innere Befriedigung. 
Der französischen Eitelkeit hatte der Erfolg der Ausstellung sehr ge- 
schmeichelt. 
Zu der Eröffnungsfeier hatte sich der Prinz von Wales eingefunden 
und eine Rede gehalten, in der er seiner Vorliebe für Frankreich über- 
schwenglichen Ausdruck verlieh. Der englische Thronfolger schwärmte seit 
seiner frühesten Jugend für Frankreich. Deutschland war ihm immer 
antipathisch gewesen. Die Schuld lag an seinem Vater, dem Prinzen Al- 
bert von Sachsen-Coburg-Gotha, einem sittlich hochstehenden, sehr gebil- 
deten Mann, der, obwohl erfüllt von seiner Würde als Prince-Consort und 
politisch ganz englisch gerichtet, in vielem ein deutscher Philister geblieben 
war. Als solcher leitete er die Erziehung des zukünftigen Königs von 
England, der unter dem Eindruck einer solchen Erziehung sich nie wieder 
von der Vorstellung freigemacht hat, daß Deutschtum mit spießbürger- 
lichem Wesen, Moralpredigten, Drill und Zwang identisch sei. Wenn er 
einen Mann ledern, ungewandt und weltfremd fand, so sagte er von ihm: 
„He is tiresome and tedious like a German Professor.‘‘ Wenn eine Dame 
ihm aller Grazie und jeder Eleganz zu entbehren schien, so verglich er sie 
mit einem „German Frauchen“. In dieser Auffassung wurde Prinz Eduard 
von zwei ihm nahestehenden Frauen bestärkt: von seiner anmutigen Gattin, 
die als Dänin Deutschland und die Deutschen nicht ausstehen konnte, und 
von seiner Schwester, der deutschen Kronprinzessin und späteren Kaiserin 
Friedrich, die sich aus dem ihr unsympathischen Potsdam nach ihrer, wie 
sie meinte, freieren und jedenfalls großartigeren Heimat sehnte, wie Iphi- 
genie in Tauris, das Land der Briten mit der Seele suchend. Der Prinz von 
Wales war klug genug, bald zu merken, daß er den Engländern um so 
besser gefiel, je mehr er sich in Lebensgewohnheiten und Äußerlichkeiten 
als echter Engländer gab. Er hörte von allen Seiten, daß sein Vater in 
England zwar geachtet worden, aber trotzdem im Grunde unbeliebt 
geblieben sei, weil er, wie sich der Earl of Granville einmal ausdrückte, alle 
jene deutschen Tugenden besaß, die der Engländer nicht mag, dagegen 
keinen der Fehler, die man als englische Fehler bezeichnen kann. Der Prinz 
Der englische 
Thronfolger
	        
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