Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER SANFTMÜTIGE 463 
Stimmung nach Hause.“ Solche ‚„aequa mens‘ bewahrte Fürst Chlodwig 
Hohenlohe auch gegenüber Widerstand und Feindschaft seiner Standes- 
genossen. 
Nachdem er als bayrischer Ministerpräsident gestürzt worden war, ver- 
brachte er einige Monate in Wien bei seinem jüngsten Bruder, dem Ersten 
Obersthofmeister Konstantin Hohenlohe. Er fand bei der Wiener Aristo- 
kratie eine kühle Aufnahme. Man warf ihm nicht nur seine Hinneigung zu 
den verhaßten Preußen vor, sondern auch und vielleicht noch mehr seine 
Freundschaft mit Döllinger und seinen Widerstand gegen das Dogma von 
der Unfehlbarkeit, auf dessen Bedeutung für die Beziehungen zwischen 
Kirche und Staat er vor Zusammentritt des Konzils in einer berühmt ge- 
wordenen Zirkularnote hingewiesen hatte. Seine eigene Schwägerin, die 
Prinzessin Konstantin Hohenlohe, hat mir erzählt, daß er die ablehnende 
Haltung der Wiener Gesellschaft gar nicht beachtete und sich so ruhig in 
den Wiener Salons bewegte, als wenn er von Liebe und Verehrung umgeben 
gewesen wäre. Eine Schwester des Fürsten Chlodwig war mit dem Prinzen 
Karl von Salm-Horstmar vermählt. Der war ein outrierter Pietist. Er hatte 
ein Modell des himmlischen Jerusalem, in das er einmal einzuziehen hoffte, 
auf Grund der Beschreibung der Apokalypse in Papiermache anfertigen 
lassen und führte dieses Kunstwerk auf Reisen mit sich. Ich habe selbst 
erlebt, daß Fürst Chlodwig seinem Schwager, der mit seinem Modell in das 
Eisenbahncoupe eindringen wollte, in dem sich der Fürst mit mir befand, 
unwirsch den Eintritt verweigerte. Er liebte aber sehr seine Schwester 
Elise, die eine schöne Seele war, und ließ sich deren Ratschläge und Vor- 
stellungen gern gefallen. Von ihrem Bruder sprechend, sagte sie einmal zu 
mir: „Von Chlodwig gilt der Spruch der Bergpredigt: Selig sind die Sanft- 
mütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. (Ev. Matthäi V,5.) Die 
großen weltlichen Erfolge meines Bruders, alles, was er geworden ist, ver- 
dankt er letzten Endes jener Sanftmut, die, mit Geduld gepaart, alles über- 
windet.““ Etwas Wahres war an dieser Bemerkung. Aber außer seiner 
Sanftmut und seiner Geduld besaß Fürst Hohenlohe auch eine ungewöhn- 
liche Zähigkeit, sehr viel Takt, Ruhe und Besonnenheit. Er war ein zu 
großer Herr, um irgend jemand nachzulaufen, aber er brüskierte auch den 
Geringsten nicht und schlug niemand etwas ab. Mein Vetter Adolf Bülow, 
der spätere Kommandierende General erst des rheinischen, dann des 
badischen Armeekorps, Militärattache in Paris, als ich dort Sekretär wurde, 
charakterisierte mir meinen neuen Chef mit den Worten: „Wenn du jetzt 
stante pede zu dem alten Herrn hineingehst und ihm sagst, daß du den 
Schwarzen ÄAdlerorden haben möchtest, so wird er dich nicht erstaunt an- 
sehen, geschweige denn herausschmeißen, sondern freundlich antworten, 
er werde sehen, was er in dieser Richtung tun könne. Aber andererseits ist es 
Hohenlohes 
Verwandte
	        
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