Mac Mahons
Rücktritt
Wahl Grevys
478 EIN NEUER PRÄSIDENT
geborene de la Croix de Costries, aus alter und vornehmer Familie. Sein
ältester Sohn hat später eine Prinzessin von Orleans geheiratet. Ungeschickt
wie das ganze politische Verhalten des Marschalls war auch sein Abgang.
Gambetta hatte ihm 1877 zugerufen, daß ihm, wenn er sich den auf die
Errichtung und Konsolidierung des republikanischen Regierungssystems
gerichteten Wünschen des französischen Volkes widersetzen sollte, nichts
anderes übrigbleiben würde, que se soumettre ou se demettre. Statt den
einen oder den andern Weg zu wählen, tat der Marschall beides. Erst unter-
warf er sich, dann trat er zurück.
In den interessanten Tagen, in denen der Rücktritt des Marschalls Mac
Mahon erfolgte, fungierte ich, damals Zweiter Sekretär der Botschaft, als Ge-
schäftsträger, da Fürst Hohenlohe zum Ordensfest nach Berlin gefahren
war und der Erste Sekretär der Botschaft, Herr von Thielmann, Nizza und
die Cöte d’azur aufgesucht hatte. Am 29. Januar 1879 ließ mir der Bankier
Erlanger sagen, er habe mir etwas Interessantes mitzuteilen. Als ich bei
ihm eintrat, zeigte er mir einen Brief, in dem ihm der Adjutant des Mar-
schall-Präsidenten, der Marquis d’Abzac, vertraulich mitteilte, daß der
Marschall am nächsten Tage sein Amt als Präsident der Republik nieder-
legen würde. „Telegraphieren Sie das sofort an Bismarck, das ist eine
politische Primeur.‘“ Es war sehr gütig von Baron Erlanger, daß er mich
auf diese Weise in den Stand setzte, diese immerhin bedeutende Nachricht
als erster nach Berlin zu melden. Ich habe seinerzeit erzählt, daß mein vor-
nehm und menschlich fühlender Vater in Frankfurt a. M. für die Aufnahme
des Barons Erlanger in den Diplomatischen Klub eingetreten war, obwohl
der große Baron Karl von Rothschild gemeint hatte, Erlanger sei schließ-
lich doch nur ‚‚un miserable juif“. Man ersieht hieraus, daß gute Hand-
lungen nicht immer unbelohnt bleiben, auch wenn sie geringfügig er-
scheinen.
Der Rücktritt des Marschalls Mac Mahon, Herzogs von Magenta, und
seine Ersetzung durch den Advokaten Jules Grevy wurde von Fürst
Bismarck mit Befriedigung aufgenommen. Er sah den waschechten Re-
publikaner mit Vergnügen an der Spitze von Frankreich. Er betrachtete
diesen Wechsel mit Recht als eine bedeutsame Befestigung des republi-
kanischen Regierungssystems bei unseren westlichen Nachbarn. Erst nach
dem Rücktritt des Marschalls, erst 1879, wurde die Republik in Frankreich
eine Wirklichkeit. Das entsprach den Wünschen des Fürsten Bismarck und
den Zielen seiner Politik. Er war davon überzeugt, daß ein demokratisches
und republikanisches Frankreich friedlicher sein würde als ein monar-
chisches. Das war insofern richtig, als eine republikanische Regierung in
Frankreich weniger als eine monarchische in Versuchung stand, in einem
auswärtigen Kriege Ablenkung für innere Schwierigkeiten zu suchen.