Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Henckel- 
Donnersmarck 
XXXV. KAPITEL 
Die deutsche Kolonie in Paris » Graf Guido Henckel-Donnersmarck « Die Paiva « Das 
Palais Henckel und seine Gäste » „Graf“ Keßler - Badekur in Ems (Juli 1879) . Kaiser 
Wilhelm I. - Kaiserin Augusta »- Rückkehr nach Paris » Die kirchenpolitische Gesetz- 
gebung in Frankreich » Jules Ferry und Paul Bert » Beunruhigende Nachrichten über 
das Befinden des Vaters, Reise nach Berlin 
er Wandertrieb des Deutschen tritt auch darin zutage, daß es seit 
Jahrhunderten in Rom und Paris, in Kopenhagen wie in London 
deutsche Kolonien gab. Die deutsche Kolonie in Paris hatte unter dem 
Deutsch-Französischen Krieg anfänglich nicht allzusehr gelitten. Die 
Polizei des Kaiserreichs ließ die Pariser Deutschen ziemlich unbehelligt. 
Als aber am 4. September 1871 die Republik proklamiert worden war, 
wurden viele deutsche Familien ausgewiesen und alle Deutschen unter 
polizeiliche Aufsicht gestellt. Im Gegensatz zu den Träumereien, in denen 
sich naive Deutsche gefallen, ist die französische Demokratie seit der 
ersten Republik dem Auslande gegenüber meist nationalistisch und 
chauvinistisch aufgetreten. Es war namentlich Gambetta, der im Sep- 
tember 1870 darauf drang, daß die gegen die Deutschen gerichteten 
Maßnahmen mit brutaler Energie durchgeführt werden sollten. Trotzdem 
hatte sich nach dem Kriege ein großer Teil der alten deutschen Kolonie 
wieder in Paris eingefunden. 
Der bekannteste Pariser Deutsche war Graf Guido Henckel von Don- 
nersmarck, den Thiers ‚Ce gros banquier allemand‘ nannte, „qui habite 
les Champs-Elysees“ und von dem die Portiers in der Avenue des Champs- 
Elysees sich erzählten, daß Bismarck ihm zur Belohnung für geleistete 
Dienste einen Teil der fünf Milliarden geschenkt hätte, die das besiegte 
Frankreich als Lösegeld den Preußen habe zahlen müssen. Graf Guido 
Henckel war körperlich wie geistig eine hervorragende Erscheinung. Sehr 
groß, breitschultrig, mit damals pechschwarzem Vollbart, mit schwerem 
Gang und scharfen Augen, meist ein sarkastisches Lächeln um die Mund- 
winkel, zog er die Blicke auf sich, wenn er über die Boulevards ging. Er 
verkörperte Kraft, und er war Kraft. Wohl deshalb hat er später seinem 
zweiten Sohn aus seiner zweiten Ehe den Vornamen „Kraft“ beigelegt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.