Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

XXXVIl. KAPITEL 
Vorbereitung des Bündnisses mit Österreich-Ungarn » Bismarck in Wien « Widerstand 
des Kaisers Wilhelm I. - Staatssekretär von Bülow über das Bündnis mit Österreich 
Unterzeichnung durch Wilhelm 1. (15. X. 1879) - Abschiedsgesuch des Vaters « Unter- 
redung mit Fürst Bismarck ». Besuch Bismarcks beim Vater Bülow - Tod des Vaters 
in Frankfurt a. M. (20.X.1879) . Beileid Kaiser Wilhelms + Leichenfeier in Berlin 
Der Winter in Paris » Im Hause Hohenlohe 
o lag in ihren großen Linien die Situation, als Fürst Bismarck zu dem 
Bündnis mit Österreich-Ungarn schritt. Er operierte mit der gewaltigen 
und blitzschnellen Entschlossenheit, durch die er, den einzigen Napoleon I. 
ausgenommen, alle Monarchen und Staatsmänner des neunzehnten Jahr- 
hunderts übertraf. Nach wiederholten Konferenzen mit dem österreich- 
ungarischen Minister des Äußern, dem Grafen Gyula Andrässy, der ihn in 
Gastein aufgesucht hatte, begab sich der deutsche Kanzler direkt nach 
Wien. Kaiser Franz Josef unterbrach seine Jagden und empfing in der 
Wiener Hofburg den gewaltigen Mann, der Österreich aus Deutschland 
vertrieben hatte, um das Haupt der Hohenzollern mit der deutschen 
Kaiserkrone zu schmücken, die Habsburg fast sechs Jahrhunderte trug. 
Nachdem sich Bismarck schon in Gastein mit Andrässy über Inhalt und 
Form des zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn abzuschließenden 
Bündnisvertrages verständigt hatte, unterzeichnete Kaiser Franz Josef 
nach einer langen Unterredung mit Bismarck den zwischen den beiden 
Ministern vereinbarten Bündnisvertrag. Es fehlte nur noch die Unterschrift 
des Deutschen Kaisers. Sie zu erlangen, hat große, sehr große Mühe 
gekostet. Vor der Abreise aus Berlin zu seinem gewohnten Herbstaufenthalt 
bei seiner Tochter, der Großherzogin Luise, in Baden-Baden, hatte 
Wilhelm I. mehrere ernste Konferenzen mit meinem Vater. Dieser nahm, 
obschon körperlich sehr leidend, in wahrhaft heroischer Weise seine letzten 
Kräfte zusammen, um den Kaiser von der Notwendigkeit der Unter- 
zeichnung zu überzeugen. 
Mir sagte mein Vater, bevor er an diese schwere Aufgabe ging: „Nachdem 
Bismarck nun einmal den Vertrag mit Andrässy in Gastein vereinbart und 
in Wien die Unterschrift des Kaisers Franz Josef erbeten und erhalten hat, 
muß die Sache zum Abschluß gebracht werden. Ich sehe ganz von meinen 
Bismarck 
beim Kaiser 
Franz Josef 
Vor Wilhelms 
Unterschrift
	        
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