Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

IN DER MATTHÄIKIRCHE 513 
Der Kaiser reichte mir die Hand. Ich habe in den Tagen nach dem Tode 
meines guten Vaters viele wohltuende Beweise von Mitgefühl erhalten. Aber 
niemand hat so herzlich, so teilnehmend, so gütig, so menschlich und dabei 
so königlich mit mir gesprochen wie unser alter Herr. Er hob noch einmal 
die ausgezeichneten dienstlichen und menschlichen Eigenschaften meines 
Vaters hervor, sein strenges Pflichtgefühl und seine Herzensgüte, die 
Festigkeit seiner Grundsätze wie seine vermittelnde und ausgleichende 
Art. Als ihm die bevorstehende Weiterfahrt des Zuges gemeldet wurde, 
entließ er mich mit den Worten: „Haben Sie immer das Vorbild Ihres 
Vaters vor Augen und wandeln Sie in seinen Wegen, dann wird es Ihnen 
wohlgehen.““ 
Drei Tage später fand in Berlin die Trauerfeier für meinen Vater in der 
Matthäikirche statt, die meine Eltern seit ihrer Übersiedlung nach Berlin 
zu besuchen pflegten. Der Kaiser erschien mit allen Prinzen des königlichen 
Hauses. Mein Bruder Adolf und ich erwarteten Seine Majestät vor dem 
Eingang. Wir wurden aufgefordert, uns neben die königlichen Prinzen zu 
stellen. Prinz Karl, der einer Generation angehörte, die es mit dem nnili- 
tärischen Anzug sehr genau nahm, sagte zu mir, indem er auf seinen Solın, 
den genialen Prinzen Friedrich Karl wies: ‚Er hat schon wieder nicht ganz 
vorschriftsmäßige Stiefel an.“ Auch der Kommandeur meines Bruders 
Adolf, der damalige Oberst des 1. Garde-Ulanen-Regiments, der spätere 
Chef des Großen Generalstabs, der hochbedeutende Graf Alfred Schlieffen, 
war gekommen. Ich sehe ihn noch vor mir mit dem ernsten, strengen, 
nachdenklichen Gesicht und dem Monokel im Auge. 
Als der Kaiser erschienen war, ging er auf meine Mutter zu, küßte ihr die 
Hand und nahm neben ihr Platz. Die Trauerrede des Generalsuper- 
intendenten Büchsel ging mir zu Herzen und berührte mich wohltuend, 
denn aus ihr sprach jener feste Glaube, jene gewisse Zuversicht, die über 
das irdische Leid erhebt und dorthin weist, wo alle Tränen getrocknet 
werden sollen. „Weinen Sie nicht, liebe Frau von Bülow“, sprach, zu meiner 
Mutter gewandt, dieser ganz gläubige, grundehrliche, durch und durch 
echte Geistliche, der, bevor er Generalsuperintendent wurde, lange als 
Pastor segensreich in märkischen Dörfern seines Amtes gewaltet hatte, 
„warum weinen Sie? Während Sie hier weinen, blickt Ihr lieber Mann von 
oben freundlich auf Sie herab, dem es dort viel besser geht als uns hier 
unten.“ 
Nachdem ich meiner Mutter bei ihrer Übersiedlung nach Potsdam zur 
Seite gestanden hatte, wo sie ihren dauernden Wohnsitz nehmen wollte, 
kehrte ich auf meinen Posten nach Paris zurück. Noch vor meiner Abreise 
hatte sie ein Schreihen ihres Onkels, des Oberstkämmerers Grafen Wilhelm 
Redern erhalten, der ihr im Auftrage Seiner Majestät mitteilte, daß der 
33 Bülow IV 
Trauerfeier 
Wieder in 
Puris
	        
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