Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Major 
von Villaume 
522 DIE EINGELADENEN VON CHANTILLY 
machte er mich auf ein lebensgroßes Porträt seines Großvaters aufmerksam, 
des Herzogs Ludwig-Joseph-Philipp von Orleans, der sich bekanntlich 
während der großen Revolution den Jakobinern anschloß, für den Tod 
seines Vetters und Königs, des armen Louis X VI. stimmte und bald nachher 
selbst guillotiniert wurde. Als er mir dieses Bild zeigte, meinte der Herzog 
von Aumale lächelnd: „Et voila mon grand-p£re, le citoyen Egalite.‘“ So 
hatte sich der ehemalige Herzog von Orleans als Jakobiner genannt. Zu 
seinen Gästen gewandt, fuhr der Herzog von Aumale fort: „Und wissen Sie, 
wie Philipp Egalite starb? Bevor er den 'Todeskarren bestieg, bestellte er 
sein letztes Frühstück: Drei Dutzend Austern, beste Marennes, zwei Kote- 
lette, eine Flasche Chablis. Wissen Sie, wie der Herzog angezogen war? 
Er fuhr zur Guillotine im grünen Frack mit weißer Piqueweste, gelben 
Hosen und spiegelblanken Stiefeln. Der große englische Historiker Carlyle 
hat es uns beschrieben. Mon grand-pere Etait un bougre, mais il n’avait 
pas froid aux yeux.“ Unter den Eingeladenen in Chantilly befanden sich 
zwei Dichter: Edouard Pailleron, der Verfasser des Lustspiels „„Le Monde oü 
l’on s’ennuie“, in dem der Salonphilosoph Caro auf das witzigste verhöhnt 
wurde, und Victorien Sardou. Der Spott Paillerons war berechtigt. Ich 
waı selbst einmal zugegen, als bei der Fürstin Monia Ouroussow der Pseudo- 
philosoph Caro den großen Philosophen Schopenhauer in Grund und Boden 
verdammte und sich hinterher herausstellte, daß er dessen grundlegende 
Schriften kaum kannte. Victorien Sardou, der ebenfalls zu den literarischen 
Freunden von Chantilly gehörte, hat dauerndere Spuren hinterlassen als 
Pailleron. Seine Lustspiele „La famille Benoiton“ und ,‚Nos bons villageois““ 
sind meisterhafte Komödien und heute noch nicht veraltet. Sein „Rabagas“ 
ist vielleicht das Beste und Feinste, was seit Aristophanes gegen glatte 
Demokratie und unehrliche Demagogen gesagt wurde. 
Soll ich erzählen, wie ich, wenn auch nicht in geschäftliche, so doch in 
persönliche Beziehungen zu einem regelrechten Spion trat? Ich will es tun. 
Homo sum; humani nihil a me alienum puto. Der Militärattache der Bot- 
schaft, Major von Villaume, frug mich eines Tages, ob ich ihın in einer für 
ihn wichtigen Angelegenheit einen Dienst erweisen wolle. „Die Sache ist 
etwas brenzlig‘“, meinte er dabei. Villaume war der Enkel eines Franzosen, 
der in eigentümlicher Weise zum Preußen geworden war. Er war nämlich 
Privatsekretär von Voltaire gewesen, als dieser sich mit seinem großen 
Gönner, dem König Friedrich II. von Preußen, überwarf. In seinem Ärger 
über Voltaire ließ der König den Sekretär verhaften und vor sich führen. 
Der Sekretär erschien in einem sehr eleganten Anzug. „Wie kommen Sie zu 
einem so glänzenden Anzug, so feinen Manschetten, einem so distinguierten 
Jabot?“ fuhr der König den Unglücklichen an. Dieser erwiderte mit 
Aplomb: „Voila comment Mr. de Voltaire aime a habiller ses gens.‘“ Der
	        
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