Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Frankreichs 
Truppen- 
reservoir 
Algier 
Julius Fröbel 
544 DIE FREMDENLEGION 
unerschöpfliches Reservoir für kräftige, zähe, kampflustige Soldaten. Es 
komme nur darauf an, diesen Soldaten kühne und harte Führer zu geben. 
„Wenn Sie für die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse des Afrikaners 
sorgen und ihm Offiziere geben, die ihn mit dem Revolver in der Hand 
dirigieren und führen, so können Sie die Hölle mit ihm stürmen.“ An diese 
Unterredung während unseres Wüstenrittes, an die „force noire de la France“ 
habe ich oft zurückgedacht, wenn ich die selbst von deutschen Militärs und 
insbesondere von Kaiser Wilhelm II. gehegte falsche Ansicht bekämpfte, 
daß die Ausdehnung des nordafrikanischen französischen Besitzes für 
Frankreich militärisch eher schädlich als nützlich sei. Wie mein geistlicher 
Freund in Constantine hielten auch meine militärischen Wüstenbegleiter 
einen ernstlichen, gefährlichen Aufstand in Algier wie in Tunis für so gut 
wie ausgeschlossen. Der militärische Wert der Fremdenlegion wurde von 
allen Franzosen, denen ich begegnete, den Offizieren sowohl wie den 
Beamten, sehr hoch eingeschätzt. Natürlich müßten diese „enfants perdus 
de la civilisation moderne“ einer eisernen Disziplin unterworfen werden. 
Aber bei energischer Führung seien sie ebenso leistungsfähig wie die 
Landsknechte des Mittelalters. Die französische Fremdenlegion sollte 
damals an zwanzigtausend Mann zählen. Es wurde angenommen, daß 
mindestens fünfzig Prozent der Legionäre Deutsche waren. Nach alter 
französischer Tradition wurde die Legion mit Vorliebe als Kanonenfutter 
verwendet. Das Wüstenklima mit seiner furchtbaren Sommerhitze und 
empfindlichen Winterkälte dezimiert die Reihen der Legionäre. Der jährliche 
Gesamtverlust der Fremdenlegion soll siebzig Prozent betragen. 
Algier, wo ich meine afrikanische Reise beendigte, war nach Karthago 
und nach der Wüste fast eine Enttäuschung für mich. Jedenfalls erfüllte die 
„Weiße Stadt“ nicht die Erwartungen, welche die Lektüre des „„Semilasso“ 
des Fürsten Pückler-Muskau in mir erweckt hatte. Aber auch in Algier 
lernte ich einen nicht uninteressanten Mann kennen. Der deutsche Konsul, 
Dr. Julius Fröbel, machte einen bescheidenen, schüchternen, fast ängst- 
lichen Eindruck. Niemand hätte ihm die bewegte, ja stürmische Vergangen- 
heit angesehen, auf die der achtzigjährige Mann zurückblickte und aus der 
zu lernen war, daß es in der viel verhöhnten Biedermeierzeit mehr echte 
Romantik gab als in der wohl vernünftigeren, aber auch banaleren Gegen- 
wart. Julius Fröbel war von seinem Onkel Friedrich Fröbel, dem bekannten 
Pädagogen und Gründer der Kindergärten, in Keilhau bei Rudolstadt 
erzogen worden. Von Keilhau ging er nach Zürich, wo er die Professur der 
Mineralogie an der Hochschule erhielt. Als er das Züricher Bürgerrecht 
erworben hatte, gab er seine Professur auf und stellte sich an die Spitze der 
radikalen Partei der Limmatstadt. Er gründete das „Literarische Comtoir“, 
in dem die revolutionären Schriften erschienen, die in Deutschland von der
	        
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