Metadata: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BÜLOWS FREUNDSCHAFT MIT IHM 487 
Wer Großes will, muß sich zusammenraffen: 
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, 
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. 
Zu meinem Leidwesen ließ Phili den von mir so hochverehrten Goethe 
nicht gelten. In den „Hälmchen und Gräschen“, pflegte er zu sagen, stecke 
mehr wahre Poesie als in allen Epigrammen von Goethe. Die „Hälmchen 
und Gräschen“ waren eine Sammlung Iyrischer Gedichte, die seine kaum 
achtzehnjährige Nichte Kalnein verfaßt hatte. Eulenburg stellte Josef 
Maria von Radowitz über Bismarck, Friedrich Wilhelm II. war ihm 
sympathischer als der Alte Fritz. Er liebte überhaupt keine Charaktere, die 
nach seiner Erfahrung im näheren Umgang unausstehlich seien. Anderer- 
seits fühlte er sich selbst so weich und schwach, daß er sich notwendig an 
Stärkere anlehnen müsse. Unser gemeinsamer Freund, der hochbegabte 
Karl Dörnberg, der, zu früh für den deutschen auswärtigen Dienst und 
für das Land, jung in St. Petersburg an der Diphtheritis starb, hatte 
Philipp Eulenburg den Spitznamen „Philine‘“ gegeben. Der geistvolle 
Direktor, erst des Hamburger Schauspielhauses, dann des Wiener Burg- 
theaters, Alfred Berger, verglich ihn mit einer Zwiebel, an der man immer 
neue Häute entdecke. 
Ich habe selten ein schöneres Familienleben gesehen als das im Hause 
Philipp Eulenburg. Seine Frau betete ihn an. Die Kinder blickten mit 
zärtlicher Bewunderung zu beiden Eltern auf. Als Beamter war Phili 
unbrauchbar. Das benutzte Thielmann, erst, um ihn zu belehren, dann, um 
ihn zu kujonieren und ihm das Leben nach Möglichkeit zu verleiden. Das 
dauerte so lange, bis ich Thielmann sein unschönes Benehmen crnstlich 
verwies. Mein Eintreten für den armen Phili legte den Grund zu unserer 
langjährigen Freundschaft. Wenn Phili mir vom ersten Tage an mit 
enthusiastischer Freundschaft und Liebe entgegenkam, so flößte er mir 
seinerseits große Sympathie ein. Ich bin durch mein ganzes Leben, in meiner 
Jugend wie in meinem Alter, für Charme und Geist empfänglich gewesen. 
So geriet ich bald unter den Zauber von Eulenburg, und ich habe nie ganz 
aufgehört, diesen Zauber zu empfinden. Nach meinem guten, treuen Franz 
Arenberg und mit Herbert Bismarck und Friedrich Vitzthum ist Philipp 
Eulenburg wohl derjenige meiner Freunde, der meinem Herzen am nächsten 
gestanden hat. 
Der Tradition seiner Familie entsprechend, war Philipp in jungen Jahren 
bei den Gardes-du-Corps in Potsdam als Avantageur eingetreten. Er war 
als Militär ebenso untüchtig wie als Beamter, nur daß die militärische 
Zucht strenger und härter ist als die bürokratische. Phili hat mir seine 
Potsdamer Dienstzeit oft als die gräßlichste Zeit seines Lebens bezeichnet.
	        
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