Salisbury
Unbesonnen-
heiten
Herbert
Bismarcks
Börsen-
deroute
580 WALFISCH UND BÄR
gewillt waren, eine nochmalige Schwächung Frankreichs durch Deutschland
zuzulassen. Zehn Jahre später trat deutlich zutage, daß sowohl England
wie Rußland kein Verlangen trugen, sich gegenseitig zu schwächen, damit
Deutschland als Tertius gaudens den Vorteil davon habe. Der Führer der
englischenKonservativen, Lord Salisbury, hatte während des afghanischen
Konfliktes Rußland gegenüber eine weit schärfere Sprache geführt als
Mr. Gladstone und die Liberalen. Salisbury war so weit gegangen, im Mai
1885 bei der Eröffnung eines konservativen Klubs der russischen Regierung
fortgesetzte Wortbrüche vorzuwerfen. Er hatte hinzugefügt: „Wie nennt
man im Privatleben einen zahlungsunfähigen Menschen? Einen Gauner
oder Bankerotteur!“ Nach dem Anfang Juni 1885 erfolgten Sturz des
Ministeriums Gladstone zum Premierminister berufen, zeigte sich Salisbury
Rußland gegenüber ebenso akkommodant wie sein Vorgänger und erklärte
im November, nichts stehe einer herzlichen Kooperation zwischen England
und Rußland im Wege. In Asien sei für Rußland und England Platz. Zu
der raschen Verständigung zwischen England und Rußland, zwischen
Walfisch und Bär, hatten die beiden dänischen Schwestern, die Kaiserin
Maria Feodorowna von Rußland und die Prinzessin Alexandra von Wales,
nicht unerheblich beigetragen. Beide Schwestern hatten die dänisch-
kurhessische Abneigung ihrer Mutter, der Königin Luise von Dänemark,
geborenen Prinzessin von Hessen, gegen das neue, starke und blühende
Deutsche Reich geerbt.
Wünschte Fürst Bismarck im Frühjahr 1885 einen kriegerischen Zu-
sammenstoß zwischen Rußland und England? Jedenfalls hat ihn sein
majestätischer, auf dem Gebiet der auswärtigen Politik selten irrender
Bon sens verhindert, einen derartigen Wunsch irgendwie hervortreten zu
lassen. Herbert Bismarck, weniger vorsichtig als der Vater, ließ sich, als die
afghanische Krisis auf ihrem Höhepunkt stand, zu unüberlegten Äußerungen
hinreißen. In einer Gesellschaft, bei der auch fremde Diplomaten zugegen
waren, rief er in animierter Stimmung: „Wenn England und Rußland an-
einandergeraten, so kann ich nur sagen: schade um jeden Hieb, der vorbei-
geht.‘ Diese Äußerung wurde nach London hinterbracht und kam zur
Kenntnis der Prinzessin und des Prinzen von Wales, die für ihre auf einen
Ausgleich zwischen England und Rußland hinzielenden Bemühungen daraus
Vorteil zogen. Als im akutesten Stadium der afghanischen Krisis Herr von
Giers sorgenvoll zu seinem Souverän sagte, Rußland müsse es entweder auf
einen großen Krieg ankommen lassen oder nachgeben, antwortete, wie
Giers mir später erzählte, der Zar: „Ich werde nicht nachgeben, und es wird
keinen Krieg geben.‘ Alexander Alexandrowitsch behielt recht.
Die afghanische Krisis hatte an allen europäischen Börsen Beunruhigung
hervorgerufen. Namentlich in Berlin, wo man stark in russischen Werten