HERR UND DIENER 583
Wenn mich Fürst Bismarck am Abend des 31. März 1885 an die Helden
der deutschen Sage, an Dietrich von Bern und an Hagen von Tronje
erinnert hatte, so glich er bei dem Enıpfang in seinem Hause in seiner
Schlichtheit und Natürlichkeit einem tüchtigen und autfrechten vstelbischen
Junker, dem an seinem Ehrentage, zu seinem fünfundzwanzigjährigen
Dienstjubiläum als Landrat oder zu seiner silbernen Hochzeit Nachbarn
und Freunde seines Heimatkreises gratulieren. Unter den Gratulanten vom
1. April 1885 gefiel mir am besten der Generaloberst von Pape, der Held
von Saint-Privat. Er mußte im Namen aller Anwesenden das Hoch auf
den Jubilar ausbringen. Alles Nichtmilitärische lag ihm so fern, daß er in
seiner Rede den Fürsten Bismarck statt Reichskanzler immer nur „unsern
Herrn Staatskanzler“ nannte, wohl in Reminiszenz an Hardenberg, dessen
Name noch seiner Kindheit geklungen hatte. Er sprach ohne rednerischen
Schmuck, ohne Pointen, ohne Phrasen. Aber er sprach mit derselben
ruhigen Stinıme, mit der er beim Sturm auf Saint-Privat die preußische
Gardeinfanterie kommandiert hatte.
In einem Handschreiben, das Kaiser Wilhelm I. unter Übersendung einer
Kopie des Wernerschen Bildes „Die Kaiserproklamation in Versailles“ an
Fürst Bismarck richtete, hieß es: „Es ist Mir cin tiefgefühltes Bedürfnis,
Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es Mich erfreut, daß ein solcher Zug
des Dankes und der Verehrung für Sie durch die Nation geht. Es erwärmt
Mir das Herz, daß sulche Gesinnungen sich in so großer Verbreitung kund-
tun, denn es ziert die Nation in der Gegenwart, und es stärkt die Hoffnung
auf ihre Zukunft, wenn sie sich erkenntlich für das Wahre und Große zeigt
und wenn sie ihre hochverdienten Männer fciert und ehrt. Sie, mein lieber
Fürst, wissen, wie in Mir jederzeit das vollste Vertrauen, die aufrichtigste
Zuneigung und das wärmste Dankgefühl für Sie leben wird! Ihnen sage Ich
daher mit diesem Brief nichts, was Ich Ihnen nicht oft genug ausgesprochen
habe, und Ich denke, daß dieses Bild noch Ihren späteren Nachkonımen
vor Augen stellen wird, daß Ihr Kaiser und König und seinHaus sich dessen
wohl bewußt waren, was Wir Ihnen zu danken haben. Mit diesen Gesinnungen
und Gefühlen endige Ich diese Zeilen, als über das Grab hinausdauernd,
Ihr dankbar treu ergebener Kaiser und König Wilhelm.“
Wenn Bismarck einmal gemeint hat, er habe seinen Namen dauernd in
die Rinde der deutschen Eiche eingeschnitten, so kann von diesem Brief
seines edlen Herrn an ihn gesagt werden: er ist für alle Zeiten eingeschrieben
in das Herz jedes Deutschen. der diesen Namen verdient. Mit Stolz kann
sich das deutsche Volk rühmen, daß die innige Freundschaft, die zwischen
seinen beiden größten Dichtern, zwischen Goethe und Schiller, bestanden
hat, einzig ist. Aber ebenso einzig ist das im tiefsten Grunde und im
Kaiserliches
Hand-
schreiben