Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Serbisch- 
Bulgarischer 
Krieg 
Russischer 
Sommer 
588 ÖSTERREICH RETTET SERBIEN 
erklärte Alexander III., er sympathisiere mit den Bulgaren, aber er miß- 
billige die Revolution in Ostrumelien. Anfang November 1885 wurde der 
Fürst Alexander von Bulgarien aus der russischen Armee ausgestußen. 
Einst hatte Zar Nikolaus I. den Vater des Fürsten Alexander, den Prinzen 
Alexander von Hessen, wegen seiner unstandesgemäßen Heirat zum 
Unteroffizier degradiert, jetzt erteilte der Zar Alexander III. dem Sohn 
des hessischen Prinzen den schlichten Abschied. 
Mitte November 1885 erklärte Serbien den Bulgaren den Krieg. Bei 
Slivnitza schlug der Battenberger die Serben aufs Haupt und zwang sie, 
sich hinter die serbische Grenze zurückzuziehen. Vor völliger Vernichtung 
wurden die Serben durch Österreich gerettet, das dreißig Jahre später an 
ihnen zugrunde gehen sollte. Wie sich die russische Politik in den siebziger 
Jahren hinsichtlich der zukünftigen Haltung der Bulgaren getäuscht hatte, 
so täuschte sich in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts die 
österreichische in den Serben. Fürst Bismarck hat mehr als einmal geäußert, 
daß sich die Zukunft höchstens auf vier bis fünf Jahre voraussehen lasse. 
Im Jahr 1885 begab sich auf Befehl des Kaisers Franz Josef der öster- 
reichische Gesandte in Belgrad, Graf Rudolf Khevenhüller, durch die 
beiderseitigen Vorpostenlinien in das Lager des siegreichen Bulgarenfürsten 
und drohte ihm für den Fall weiteren Vorrückens mit österreichischer 
militärischer Intervention. Daraufhin stellte Fürst Alexander seinen Vor- 
marsch ein. Durch Vermittlung einer internationalen Militärkommission, 
die aus den in Wien beglaubigten Militärbevolimächtigten bestand, kam es 
zu einem Waffenstillstand nach rein militärischen Gesichtspunkten. Das 
ostrumelische Pronunciamento und der Serbisch-Bulgarische Krieg be- 
stätigen für den nachdenklichen Beobachter die alte Erfahrung, daß die 
Politik auch die Kunıst ist, sich veränderten und veränderlichen Situationen 
anzupassen. Gerade auf der Balkanhalbinsel wechselten die Beziehungen 
zwischen den sie bewohnenden Völkern, den Serben, Bulgaren, Griechen, 
Rumänen und Türken und den im Orient rivalisierenden Großmächten 
häufiger und rascher als die Figuren im Kaleidoskop. 
Das sommerliche Rußland besitzt einen Zauber, der den Reizen seines 
Winters kaum nachsteht. Was im Winter die Schlittenfahrten, das sind 
im Sommer die Schiffahrten auf der Newa. Die Petersburger Sommernächte 
sind milde und wunderbar hell. Missy Durnow besaß eine schöne Dampf- 
jacht, auf die sie ihre Freunde und Freundinnen einlud. Unter ihren Gästen 
befand sich fast immer ihr Halbbruder, der Fürst Beloselsky, General a la 
suite des Zaren und verheiratet mit Nadine Dmitrijewna Skobelew, der 
ältesten Schwester des berühmten Generals. Die jüngere Schwester, 
Zeneide, hatte sich morganatisch mit dem Herzog Eugen von Leuchten- 
berg vermählt, dem Enkel des Stiefsohns des Kaisers Napoleon. Sie war
	        
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