Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

HINZPETER WIRD EMPFOHLEN 599 
Unschuld ihres Landsmannes Moricr ein, der seitdem unser ausgesprochener 
Gegner wurde und alles tat, um uns bei den Russen zu schaden und sie gegen 
uns mißtrauisch zu machen. Er war einer der ersten ernst zu nehmenden und 
gefährlichen Vorläufer jener englischen Richtung, die weder in Rußland 
noch in Frankreich, sondern nur in dem wirtschaftlich und politisch immer 
mehr erstarkenden Deutschland den gefährlichen Nebenbuhler und somit 
Gegner des britischen Weltreichs erblickte und bekämpfte. Beim Prinzen 
von Wales war Morier sehr gut angeschrieben. Leider genoß er auch das 
Vertrauen der Kronprinzessin Viktoria. Als es sich darum handelte, einen 
Erzieher für den Prinzen Wilhelm, den künftigen König und Kaiser, zu 
finden, holte die Kronprinzessin den Rat von Morier ein, und dieser 
empfahl Hinzpeter, der damals Erzieher im Hause des Grafen Görtz auf 
Schloß Schlitz in Oberhessen war. 
Ganz anders als Sir Robert Morier war der italienische Botschafter 
Greppi, ein liebenswürdiger Weltmann, ein vollkommener Galantuomo, 
freilich kein Cavour, auch kein Talleyrand. Er sollte aber alle seine Alters- 
genossen überleben und, nachdem er nach vielen anderen Kriegen auch den 
Weltkrieg gesehen hatte, mit 103 Jahren aus dieser Welt scheiden. 
Wichtiger als die diplomatischen Kollegen und als die Petersburger 
Salons waren für mich Giers und seine Mitarbeiter. Adjoint im Ministerium 
des Äußern (eine Stellung, die der des Unterstaatssekretärs im Berliner 
Auswärtigen Amt entsprach) war Vlangaly. Er war von Geburt Grieche, 
wie Zugraphos, Katakazy, Basily, Persiany und manche andere russische 
Diplomaten. Sehr verschieden von dem feinen, liebenswürdigen, bis zur 
Ängstlichkeit vorsichtigen Vlangaly war der Chef des Asiatischen Departe- 
ments, der Geheime Rat Sinowjew. Ein Urrusse, inseinen Formen und seiner 
Sprache nicht immer gewählt, aber ein Mann mit gesundem Menschen- 
verstand. Er hat mir mehr als einmal gesagt: „Unser Unglück sind die 
Balkanvölker. Wir vergießen für sie unser Blut, ohne reale Vorteile einzu- 
heimsen. Wir vergeuden für sie unser Geld, für das wir viel nützlichere Ver- 
wendung im Innern Rußlands hätten, wo es noch so viel zu verbessern und 
neu zu schaffen gibt. Gott gebe, daß die Brüderchen, die Bratuschkas, wie 
sie unser naives Volk nennt, uns nicht noch einmal in einen ganz bösen 
Krieg hineinziehen.“ 
Der nächste Vertraute von Giers war Graf Wladimir Nikolajewitsch 
Lambsdorff. Er war derjenige Beamte, den Giers zuerst in den Itück- 
versicherungsvertrag eingeweiht hatte. Lambsdorff hat sich erst viel später 
in unsern Gegner verwandelt, als ihn, wie ich seinerzeit erzählt habe, 
Kaiser Wilhelm II. unter dem schlechten Einfluß des Fürsten Max Fürsten- 
berg durch taktlose und unfreundliche Behandlung tief gekränkt hatte. Als 
ehrgeiziger, etwas vordringlicher Legationssekretär arbeitete auf dem 
Greppi 
Graf 
Lambsdorff
	        
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