Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

XLIV. KAPITEL 
Operation des Kronprinzen » Tod Kaiser Wilhelms I. (9. III. 1888) - Trauerfeier in 
St. Petersburg - Frau von Bülow in Berlin bei Kaiserin Friedrich und Königin Victoria 
von England »- Die Königin über Bismarck ». Der Abend bei Bismarck »- Gesandter in 
Bukarest - König Carol » Rumänische Politiker: Peter Carp und Bratianu »- Tod des 
Kaisers Friedrich (15. VI. 1888) - Die Aufgabe des kaiserlichen Gesandten in Bukarest 
m 9. Februar 1888, drei Tage nachdem Fürst Bismarck seine große 
Rede über Europas Lage und die deutsch-russischen Beziehungen ge- 
halten hatte, traf aus San Remo die Trauernachricht ein, daß sich die 
den Kronprinzen behandelnden Ärzte zur sofortigen Ausführung des 
Luftröhrenschnittes genötigt gesehen hätten, da die Atemnot in gefahr- 
drohendem Maße zugenommen habe. 
Der älteste Sohn des Kronprinzen, Prinz Wilhelm, begab sich nach 
San Remo. Hier kam es zu erregten und traurigen Auftritten zwischen 
Prinz Wilhelm und seiner Mutter. Prinz Wilhelm verlangte, daß sein Vater 
über den Charakter der Krankheit sofort und rücksichtslos aufgeklärt werde. 
Die Kronprinzessin hat immer gesagt, und auch mir wiederholt ge- 
sagt, Prinz Wilhelm habe behauptet, im Auftrage des Fürsten Bismarck 
zu kommen, um seinem Vater zu erklären, er möge, nachdem er durch seine 
Krankheit regierungsunfähig geworden sei, auf die Thronfolge ver- 
zichten. Fürst Bismarck hat mit Recht bestritten, daß er dem Prinzen 
Wilhelm einen solchen Auftrag gegeben habe. Auch seine beiden Söhne 
haben mir später auf das nachdrücklichste versichert, daß ihr Vater den 
Prinzen Wilhelm nicht in solcher Mission an das Krankenlager seines 
sterbenden Vaters geschickt habe. Meine Frau erhielt in jener Zeit sehr 
traurige, ja verzweifelte Briefe der Kronprinzessin, in denen sie über die 
„heartlessness“, die „rudeness“, ja „‚cruelty“ ihres ältesten Sohnes klagte. 
Der Standpunkt des Prinzen Wilhelm wurde im Kreise der Petersburger 
Botschaft mit Eifer von dem sehr begabten und tüchtigen, aber zu Einseitig- 
keit und Schroffheit neigenden Major Grafen Maximilian Yorck ver- 
treten. Als Yorck wieder einmal in diesem Sinne peroriert hatte, entgegnete 
ihm der alte Botschafter von Schweinitz: „Mein lieber Yorck, des Vaters 
Segen baut den Kindern Häuser; aber der Mutter Fluch reißt sie nieder. 
San Remo
	        
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