ABSCHIED VON PETERSBURG 617
äußerte gern, er gäbe viel darum, wenn er in der Altmark zur Welt ge-
kommen wäre. Er war ein schrofler Altkonservativer, und Bismarck stand
ihm viel zu weit links. Er empfand, wie Kleist-Retzow, wie der General-
adjutant Leopold Gerlach, wie Thadden-Triglaff und Moritz Blanckenburg
empfanden, wie im Grunde auch der große Kriegsminister Roon empfand.
Aber wie diese war er ein Charakter. Er hatte eine nicht allein feine, sondern,
was schon damals immer seltener wurde, eine tiefe Bildung. Er hat als
Militär-Attache in St. Petersburg 1866, als Botschafter in Wien 1870 und
später als Botschafter in St. Petersburg dem Vaterlande ausgezeichnete
Dienste geleistet.
Schon vor dem Heimgang unseres alten Kaisers hatte mir Herbert
Bismarck, der 1886 Staatssekretär geworden war, geschrieben, daß ich bald
einen Gesandtenposten erhalten würde. Sein Vater hatte sich dagegen
gesperrt, da er mich in St. Petersburg für schwer ersetzbar hielt. Als sein
Sohn ihn darauf hingewiesen hatte, daß ich doch nicht wegen meiner guten
Leistungen in meinem Avancement Schaden nehmen dürfe, hatte Seine
Durchlaucht geantwortet, ich könne ja in ein oder zwei Jahren vom Bot-
schaftsrat direkt Botschafter in St. Petersburg werden. Nicht mit Unrecht
hatte Herbert darauf hingewiesen, daß ein solcher Sprung an Ort und Stelle
weder in meinem persönlichen Interesse läge, noch den Grundsätzen des
diplomatischen Dienstes entspräche. So war ich für Washington aus-
ersehen worden, und Herbert hatte schriftlich bei mir angefragt, was ich
zu dem Gesandtenposten Washington sagen würde. Ich hatte trotz der
Tränen meiner lieben Frau, der vor der langen Seereise und der weiten
Entfernung von ihrer Mutter und ihren Kindern bange war, sofort geant-
wortet, daß ich überall hinginge, wo. ich mich dienstlich nützlich machen
könne, und nach Washington besonders gern, da es mir interessant sein
würde, mir die Welt einmal von der anderen Seite der Erdkugel anzusehen.
Schließlich hatte die kritische Lage der Dinge in Rumänien den Kanzler
bewogen, mich für Bukarest zu bestimmen. Ich wurde gleichzeitig an-
gewiesen, meine baldmöglichste Übersiedelung auf meinen neuen Posten
vorzubereiten, wo periculum in mora sei.
Ich trennte mich nicht leicht von Petersburg, wo ich vier interessante
und seit meiner Verheiratung zwei überaus glückliche Jahre verbracht
hatte. Vor der Abreise wurde ich mit meiner Frau zum Abendessen bei den
russischen Majestäten eingeladen. Alexander IlI., neben den meine Frau
placiert wurde, sprach ihr mit der herzlichsten Freundschaft von Kaiser
Friedrich: ‚Je donnerais beaucoup, mais beaucoup pour que Dieu nous le
conserve. J’ai foi dans sa loyaut& et confiance dans son bon sens. Il est un
des meilleurs hommes qui existent.‘ Der Großfürst und die Großfürstin
Wladimir hatten meine Frau und mich am Tage der Beisetzung unseres
Bülow wird
Gesandter in
Bukarest