Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Tod des 
Kaisers 
Friedrich 
Geheim- 
vertrag mit 
Rumänien 
624 WILHELM II. REGIERT 
als seinen guten Engel preist. Busch kam von Bukarest nach Stockholm, 
ein Wechsel, den er gewünscht hatte, da seine Familie das rumänische 
Klima nicht vertrug. 
Während der zweiten Audienz, die ich bei König Carol am 15. Juni 
hatte, erhielt dieser ein Telegramm, das er in meiner Gegenwart öffnete. 
Es war die Nachricht vom Tode des Kaisers Friedrich. Tief bewegt 
und mit Tränen in den Augen reichte mir der König das Telegramm. „Ich 
verliere einen geliebten Vetter“, sagte er zu mir, „und Deutschland einen 
der besten, edelsten Fürsten, die es je gegeben hat.‘ Nach einer kurzen 
Pause fügte er hinzu: „Unser nunmehriger Kaiser hat viele glänzende 
Eigenschaften. Er ist sehr begabt. Er ist, was man einen Blender nennt, 
oder, wenn Sie das lieber hören, ein Charmeur. Aber er hat auch bedenk- 
liche Eigenschaften. Jedenfalls bedarf er kluger und geschickter Ratgeber, 
diese wollen wir ihm wünschen. Vor allem soll er den Fürsten Bismarck 
behalten. Man spricht davon, daß er ihn durch Waldersee ersetzen möchte. 
Alfred Waldersee ist ein alter Regimentskamerad und Jugendfreund von 
mir. Fürst Bismarck ist oft hart, bisweilen rücksichtslos mit mir um- 
gesprungen. Aber als guter Preuße und guter Deutscher, der ich geblieben 
bin, hoffe ich zu Gott, daß der neue König und Kaiser sich nicht von dem 
großen Berater seines Großvaters trennen wird.“ 
Die mir in Bukarest gestellte Aufgabe war, die fünf Jahre früher 
zwischen den Zentralmächten und Rumänien getroffenen, sehr un- 
bestimmten, kaum als Allianz zu bezeichnenden Abmachungen in ein 
förmliches Bündnis zu verwandeln. Ich war von vornherein der Ansicht, 
daß ein Bündnis zwischen Rumänien und den Dreibundmächten ein öffent- 
liches sein müsse, stieß aber in dieser Beziehung bei König Carol auf 
hartnäckigen Widerstand. Er meinte, daß eine offene Allianz nicht nur die 
russischen und französischen Umtriebe in Rumänien bis zur Unerträglich- 
keit steigern, sondern auch im Lande selbst bei den für Frankreich 
schwärmenden oder von Rußland bestochenen Politikern allzu heftigen 
Widerstand hervorrufen würde. Aus Berlin wurde ich brieflich angewiesen, 
nicht auf der Öffentlichkeit des Vertrages zu bestehen, da es vor allem 
darauf ankomme, überhaupt etwas zustande zu bringen. So wurde 
denn ein Vertrag zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien geschlossen, 
dem Deutschland und Italien beitraten und in dem die habsburgische 
Monarchie und das Königreich Rumänien sich versprachen, daß jeder von 
beiden Paziszenten dem andern beistehen würde, wenn dieser von Ruß- 
land angegriffen werden sollte. In sehr geschickter Weise hat der König 
nach und nach alle maßgebenden Politiker des Landes, Carp und Bratianu, 
Rosetti, Marghiloman, Florescu, Katargi, Majorescu, Stirbey, die Liberalen, 
die Konservativen und die Junimisten in den Vertrag eingeweiht und sie
	        
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