Bülows
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630 DER LORD VON EDENHALL
den von Professor Haller herausgegebenen Denkwürdigkeiten des Fürsten
Eulenburg ist dieser Brief nicht abgedruckt worden. Ich begann ihn mit
dem Ausdruck der Genugtuung darüber, daß nach den in Bukarest ein-
gegangenen Zeitungsmeldungen die Phase, aus der heraus Eulenburg mir
geschrieben habe, ihren vorläufigen Abschluß durch eine lange und be-
friedigende Unterredung zwischen Seiner Majestät und dem Reichskanzler
gefunden habe, die unter gegenseitigen Konzessionen zu einem Vergleich
geführt habe. Die tiefergehenden Gründe, aus denen die allmählich in die
Öffentlichkeit getretenen Divergenzen zwischen dem jungen Kaiser und
dem großen Kanzler hervorgingen, würden freilich wohl leider als chro-
nisches Übel andauern und könnten von Zeit zu Zeit immer wieder einen
akuten Charakter annehmen. Ich fuhr fort:
„Soweit ich mir aus der Ferne ein Urteil über unsere sehr ernste inner-
politische Lage bilden kann, stelle ich den Satz an die Spitze, daß trotz aller
Schwierigkeiten alles geschehen sollte, um den Kanzler und Herbert zu
halten. Es würde auf die hoffentlich noch sehr lange Regierung unseres
Allergnädigsten Herrn einen tiefen Schatten werfen, wenn an ihrem Beginn
der große Kanzler, der langjährige Diener Kaiser Wilhelms I., zurückträte.
Gerade weil nach dem Laufe der Natur dem fünfundsiebzigjährigen Kanzler
kaum noch ein langes Leben beschieden sein kann, ist es doppelt wünschens-
wert, daß dieses große Leben ohne Krach mit der Krone abschließt. Es
liegt in der Individualität Seiner Durchlaucht, daß er seinen Abgang even-
tuell schwerlich im guten bewerkstelligen wird. Einen Abschiedsbrief a la
Multke wird er nicht schreiben. Wenn ich auch nicht glaube, daß er durch
seinen Fortgang absichtlich Unruhe und Schwierigkeiten würde hervor-
rufen wollen, so wird er sich den Zeitpunkt und die Umstände des Rück-
tritts doch genau überlegen. Er würde dafür sorgen, daß er das hätte, was
die Franzosen ‚une belle sortie‘ nennen. Ein solcher Abgang von der Szene
würde viele gute und brave Leute in Deutschland mit Schmerz und Sorge
erfüllen. Der verabschiedete Reichskanzler würde ihnen als eine Art von
Belisar erscheinen, der, ein Opfer der Fürstenlaune, wenn auch nicht am
Wege betteln, so doch in Varzin sich in einsamer Untätigkeit verzehren
müßte. Die Schlechtgesinnten würden unsern Kaiser im Lichte des jungen
Lord von Edenhall hinstellen, der das Schicksal versuchen will, trotz der
Warnung, die der greise Schenk erhebt, des Hauses ältester Vasall. Auch
würde der Reichskanzler, wenn er nicht sehr alt und matt geworden sein
sollte, wovon ich nichts merke, cum animo revertendi fortgehen. Das würde
jedes Regieren ohne Bismarck zu einem Regieren gegen Bismarck machen!
Das würde im höchsten Grade paralysierend und verwirrend auf alle Re-
gierungsorgane einwirken. Es würde auch die eigene Stimmung und Hal-
tung Seiner Durchlaucht sehr ungünstig beeinflussen. Seine Rückkehr nach