EINE FROHE BOTSCHAFT 641
Rückversicherungsvertrages nicht lange verschließen. Er hat sich seitdem in
jeder Weise bemüht, seinen Fehler wieder gutzumachen. Bei Alexander Ill.
gelang es ihm nicht. Er war und blieb diesem Zaren unsympathisch. Um
so eifriger hat er später den Kaiser Nikolaus II. umworben, um mit ihm
wieder zu einem Vertragsverhältnis zu kommen, was schließlich zu der
grotesken Konvention von Björkö führte.
Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß der Rücktritt des Fürsten Bismarck
bei der Mehrheit des deutschen Volkes und nun gar unter den deutschen
Politikern Zorn, Entrüstung oder auch nur Trauer hervorgerufen hätte.
Davon war zunächst nicht die Rede. Der Chefredakteur der „Kreuz-
Zeitung“, Dr. Kropatschek, ein Patriot und ein vortrefflicher Mann, er-
schien kurz nach dem Rücktritt des Fürsten Bismarck im Konservativen
Verein in Rathenow mit den Worten: „Eine frohe Botschaft, meine
Herren! Von nun an werden wir nicht länger von der Familie Bismarck,
sondern von dem Hause Hohenzollern regiert.“ Der Führer der bürger-
lichen Demokratie, Eugen Richter, in mancher Hinsicht ein tüchtiger
Mann, veröffentlichte in seinem Blatt einen Nachruf auf den größten
Staatsmann unseres Volkes, der an Plattheit, Kleinlichkeit und Niedrigkeit
der Gesinnung nicht zu überbieten war. Die Präsidenten des Reichstages,
der ohne Bismarck nicht existieren würde, des Abgeordnetenhauses, wo er
in der Konfliktszeit seine genialsten Reden gehalten hatte, und des Herren-
hauses, dessen verdientestes und jedenfalls berühmtestes Mitglied er ge-
wesen war, nahmen von Bismarcks Rücktritt keine Notiz. Wenn ich nicht
irre, waren alle drei Präsidenten Konservative, das heißt Mitglieder der-
jenigen Partei, die, als Bismarck die Regierung übernahm, nach einem
bekannten Witzwort „in einer Droschke Platz hatte“, jetzt aber im
Reichstag wie im Abgeordnetenhause zu achtunggebietender Stärke empor-
gewachsen war.
41 Bülow IV
Die Wirkung
von Bismarcks
Rücktritt