Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Die Affäre 
Vacarescu 
648 IN POTSDAM 1888 
Verwandten über den Regierungsantritt des jungen Kaisers geschrieben 
worden sei. Kronprinz Wilhelm habe, als sein armer Vater in den letzten 
Zügen lag, das Neue Palais von dem früher von ihm kommandierten und 
darum bevorzugten Garde-Husaren-Regiment umstellen lassen. Wenn 
die Kaiserin Friedrich vom Sterbelager ihres Gemahls für einen Augenblick 
an ein Fenster trat, um Luft zu schöpfen, sah sie die roten Uniformen der 
Husaren, die verhindern sollten, daß irgend jemand unkontrolliert das 
Neue Palais verließe. Insbesondere sei es darauf abgesehen gewesen, jede 
Korrespondenz der unglücklichen Kaiserin mit dem Auslande zu unter- 
binden. Die Kaiserin sollte bei ihrem Verlassen des Palais nur solche Briefe 
und Schriftstücke mit sich nehmen, in die ihr Sohn vorher Einblick ge- 
nommen hatte. Auch sollte eine Flucht des Dr. Mackenzie verhindert 
werden. König Carol behauptete, daß Kaiser Wilhelm II. den englischen 
Arzt ursprünglich habe arretieren und einsperren lassen wollen. Das sei 
durch Bismarck verhindert worden, der als Folge eines derartigen Vor- 
gehens nicht nur einen allzu schlechten Eindruck auf die englische öffent- 
liche Meinung, sondern auch diplomatische Schwierigkeiten mit der eng- 
lischen Regierung befürchtet hatte. Fürst Bismarck habe den jungen 
Kaiser auch mehrfach ermahnt, die Rücksichtslosigkeit gegen seine Mutter 
nicht zu weit zu treiben. König Carol rühmte immer wieder die wahrhaft 
christliche Geduld und den Heroismus, die Kaiser Friedrich bis zum letz- 
ten Augenblick gezeigt habe. „Ein Held und ein Heiliger“, so faßte der 
König sein Urteil über den edlen Kaiser zusammen. Das Verhalten des 
Sohnes, der unmittelbar nach dem Tode seines Vaters mit umgeschnalltem 
Säbel, die Pelzmütze der Garde-Husaren in der Hand, seiner Mutter eine 
heftige Szene gemacht habe, würde ihm kaum Glück bringen. Wie vor- 
her der Botschafter von Schweinitz, so erinnerte auch König Carol an 
das vierte Gebot, das unser irdisches Wohl von Ehrerbietung gegenüber 
unseren Eltern abhängig macht. Der König ließ die psychologisch feine 
Bemerkung fallen, daß das Gebahren des Kaisers gegen seine Eltern und 
seine Undankbarkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber Bismarck nicht 
aus Bosheit, nicht einmal aus Herzenshärte hervorgingen, sondern aus 
Mangel an Selbstbeherrschung und Überlegung, wie er nervösen Naturen 
eigen sei. 
Im Juni 1892 wurde die Verlobung des Thronfolgers von Rumänien, des 
Prinzen Ferdinand von Hohenzollern, mit der ältesten Tochter des Her- 
zogs von Edinburgh gefeiert. Bevor es zu dieser standesgemäßen Verlobung 
kam, war der künftige König von Rumänien der tragikomische Held einer 
albernen Liebelei gewesen, die ihn als Mensch in der ganzen Haltlosigkeit 
zeigte, die er später als König im Weltkrieg betätigt hat. Unter den Hof- 
damen der Königin Elisabeth befand sich ein Fräulein Vacarescu, die wie
	        
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