Adolf
von Bülow
50 DIE BÜLOWS UND DIE BERNSTORFFS
dem dicken König Friedrich, der ein großer Nimrod vor dem Herrn war.
Heinrich trat in preußische Dienste und vermählte sich mit Gabriele
von Humboldt, der Tochter von Wilhelm Humboldt. Nachdem er von 1827
bis 1841 preußischer Gesandter in London, von 1841 bis 1842 beim Bundes-
tag in Frankfurt gewesen war, übernahm er 1842 das Ministerium des
Äußern in Berlin. Nach kaum dreijähriger, mit großen Erwartungen be-
grüßter Wirksamkeit wurde er von einem Schlaganfall getroffen. Er setzte
selbst sein Abschiedsgesuch auf. Nachdem er es unterschrieben hatte,
reichte er dem bei ihm diensttuenden Legations-Sekretär Grafen Heinrich
Redern, dem späteren Gesandten in Brüssel und Petersburg, die Feder mit
den wehmütigen Worten zurück: „Eine kurze Karriere!“ Er starb ein Jahr
später, dreiundfünfzig Jahre alt, und wurde neben seinem Schwiegervater
Wilhelm Humboldt in Tegel beigesetzt. Märkische, deutsche, ernste Tannen
rauschen über dieser Grabstätte. Schlank steigt die dunkle Granitsäule
empor, auf der sich die Gestalt der Spes erhebt, die in unvergänglicher
Schönheit Thorwaldsen geformt hat.
Mein Großvater Adolf Bülow wandte sich in jungen Jahren nach Däne-
mark, wozu ihn der Umstand veranlaßt haben mag, daß seine Familie mit
dem Hause Bernstorff befreundet war, das Dänemark im achtzehnten
Jahrhundert zwei hervorragende Minister geschenkt hat. Der von Struensee
gestürzte Graf Johann Hartwig Ernst machte sich verdient um die Hebung
des dänischen Volkswohlstands, sein Neffe Andreas Peter hob die Leib-
eigenschaft der dänischen Bauern auf. Beide lernten die Undankbarkeit der
Fürsten kennen. Der Onkel wurde aus Dänemark verbannt, der Neffe aus
seinem Amt fortgeärgert. „Es gibt Fälle“, äußerte er, als er seinen Abschied
einreichte, „wo ein Minister nicht mit gutem Gewissen auf seinem Posten
bleiben kann. Er verliert seine eigene Achtung, wenn er wider seine Über-
zeugung handelt. Kann man fehlerhafte Maßnahmen nicht länger hinter-
treiben, so darf man sie nicht durch Stillschweigen billigen.“ An diese Worte
dachte ich, als ich 1909 meinen Abschied einreichte. Aus Kiel, wo er sich
mit den dänischen Landesgesetzen und der dänischen Sprache vertraut ge-
macht hatte, durch den Grafen Christian Günther Bernstorff, der von 1800
bis 1810 dänischer, von 1818 bis 1832 preußischer Minister des Auswärtigen
war, nach Kopenhagen berufen, wurde mein Großvater Bülow dort erst in
der Kanzlei, dann im Finanzministerium beschäftigt und erwarb sich das
Vertrauen nicht nur der Minister, sondern auch des Königs Friedrich VI.
In Kopenhagen vermählte er sich mit Susanna Baudissin, die er in Kiel
kennengelernt hatte. Es war eine ausgesprochene Liebesheirat. Durch Über-
arbeitung erkrankt, erhielt er 1813 das Amt Cismar im östlichen Holstein.
Er starb dort nach nur einjähriger Tätigkeit, kaum neunundzwanzig Jahre
alt. In der Nacht, in der er starb, wurde die östliche Küste von Holstein