„SIMPLIZISSIMUS“ 671
fait que m’exciter davantage a la poursuivre avec tout ce qui me reste
d’energie et de ressources.“ Das war keine Redensart. Nicht lange nachher,
am 14. Januar 1858, führte Felice Orsini in Paris sein Bombenattentat
gegen Napoleon III. aus, dem zahlreiche Passanten zum Opfer fielen, aus
dem aber der Kaiser selbst, wie durch ein Wunder, heil hervorging. Zum
Tode verurteilt, schrieb Orsini vor seiner Hinrichtung im Gefängnis einen
Brief an Napoleon IlI., in dem er ihn beschwor, Italien von Österreichs
Joche zu befreien. Wenn Napoleon in Erinnerung an seinen einst als Car-
bonari geleisteten Eid Italien befreie, wolle er, Orsini, gern sterben und mit
Segenswünschen für den französischen Kaiser aus diesem Leben scheiden.
Dieser merkwürdige Brief wurde im Museum in Turin aufbewahrt, wo ich
ihn gesehen habe. Orsini scheint den Brief bei seiner Hinrichtung in der
Tasche gehabt zu haben, denn das Schreiben zeigte Spuren von Blut. Viel-
leicht werden diese Blutflecke von Zeit zu Zeit erneuert, wie der Tinten-
fleck auf der Wartburg.
Wenn sie Orsini ein gerührtes Andenken bewahrte, so sprach Malwida
von Meysenbug mit Verachtung von Georg Herwegh, der sich zu Alexander
Herzen und seiner Frau „‚schäbig“ benommen habe. Ich bin geneigt, dieses
Werturteil für zutreffend zu halten. Nicht lange nach dem Deutsch-
Französischen Kriege zeigte mir eine französische Dame, eine leiden-
schaftlich patriotische Französin, eine Eintragung, die Herwegh 1873 in
Baden-Baden in ihr Stammbuch gemacht hatte. Sie war in Versen ge-
halten, deren Wortlaut ich vergessen habe, aber deren Sinn etwa war:
„sommer- und Hundstage-Hitze! Und noch immer ist Bismarck nicht am
Sonnenstich krepiert. Ruhr und Diarrhöe überall, und noch lebt der alte
Wilhelm.“ Treitschke hat mit Recht gesagt, daß es Niederträchtigkeiten
gebe, deren nur gewisse Deutsche fähig seien. Herwegh war mit einer
Berliner Israelitin verheiratet, der Tochter des Bankiers Siegmund. Der
Sohn aus dieser Ehe ließ sich als Franzose naturalisieren und hat während
des Weltkrieges in Zeitungsartikeln und Broschüren seine deutsche Heimat
mit der Verbissenheit und dem Eifer eines Renegaten beschimpft und ver-
leumdet. Heinrich Heine hat politisch arg gesündigt. Aber die Verse, in
denen er in seinen „letzten Gedichten“ unter der Überschrift „simpli-
zissimus‘‘ Georg Herwegh, dessen Gattin und dessen Feigheit im Gefecht
von Dossenbach, während des republikanischen Aufstandes in Baden,
geißelte, müssen ihm zugute gerechnet werden.
Die Schüsse knallen — der Held erblaßt,
Er stottert manche unsinnige Phrase,
Er phantasierte gelb — die Gattin
Hält sich das Tuch vor der langen Nase.
Herwegh