Reise
mit dem Vater
nach Berlin
Bei Bismarck
64 POSTKUTSCHE 1863
Anmerkungen herausgegeben. Der Stolz seines Lebens aber war, unwider-
leglich festgestellt zu haben, daß der Schwan von Mantua nicht Virgilius,
sondern Vergilius geheißen habe.
Der Rektor des Strelitzer Gymnasiums, der treffliche Professor
Schmidt, hat ein hohes Alter erreicht. Er ist erst 1904 gestorben und
erlebte noch mit Vergnügen, daß sein ehemaliger Sekundaner Reichskanzler
wurde. Er war einer der besten Lehrer, die mir während meiner Schulzeit
begegnet sind. Auch an ihn dachte ich, als ich als Reichskanzler bei einem
Empfang deutscher Oberlehrer sagte, ich rechne mich zu denen, quibus
magistri sui, educatores atque doctores cum grata recordatione in mente
versantur*”.
Lehrer der französischen Sprache war Professor Cesar Vilatte, der zu-
sammen mit Professor Sachs im Langenscheidtschen Verlag ein bekanntes
und treffliches Deutsch-Französisches Lexikon herausgegeben hat. Er
dispensierte meinen Bruder und mich sehr bald vom französischen Unter-
richt, da wir diese Sprache schon so weit beherrschten, wie dies für Nicht-
Franzosen möglich sei, und bei den im Gymnasium Carolinum vor-
genommenen Sprachübungen höchstens Gefahr liefen, unsere gute Aus-
sprache zu verlieren. Das war nicht schmeichelhaft für unsere biederen
Schulkameraden, aber ich kann nicht bestreiten, daß, mit dem breiten
mecklenburgischen Akzent vorgetragen, die Sprache von Racine und
Madame de Sevigne seltsam klang.
Von Strelitz aus kam ich zum erstenmal, im Jahre 1863, mit meinem
Vater nach Berlin. Da zwischen Strelitz und Berlin noch keine Eisenbahn-
verbindung bestand, mußte die Reise mit der Postkutsche zurückgelegt
werden. Es war wichtig, sich rechtzeitig einen Eckplatz zu sichern. Der
Platz in der Mitte war nicht angenehm, außer wenn man zwischen zwei
hübschen Damen saß. Die Fahrt ging sehr langsam und dauerte vom
Morgen bis zum Abend. Die erste Station war Fürstenberg. Nicht weit von
da lag das Gut eines Herrn von Valdoy, von dem die Sage ging, daß er für
die melancholische Prinzessin Karoline von Strelitz, die traurige Er-
innerungen an ihre Ehe mit Friedrich VII. von Dänemark nicht überwinden
konnte, von den Empfindungen beseelt wäre, mit denen Schillers Ritter von
Toggenburg mit bleichem Antlitz auf das Fenster blickte, hinter dem, ruhig
und engelsmild, die Angebetete saß. In Oranienburg, wo ein von der Gemahlin
des Großen Kurfürsten erbautes Schloß zu bewundern war, wurde ein
längerer Aufenthalt genommen. Erst gegen Abend trafen wir in Berlin ein.
Am nächsten Tage spazierte ich mit meinem Vater Unter den Linden
und durch die Wilhelmstraße, in der wir beide, mein guter Vater und ich,
* Fürst Bülows Reden, Große Ausgabe III, 256; Kleine Ausgabe V, 251.