FRITZ REUTER 69
Eine große Freude war für uns in Strelitz das Reiten. Wir wurden, mein
Bruder Adolf und ich, auf die Hengste des Landgestüts gesetzt und
tummelten sie in der großherzoglichen Reitbahn. Die Hengste waren nicht
leicht zu reiten: sie schlugen aus, sie scheuten, sie bockten, sie schrammten,
vor allem aber liebten sie zu steigen. Wir hielten uns dann an der Mähne
der großen Tiere fest und boten das Bild kleiner Äffchen, die sich an einen
Zweig klammern. Wir wurden aber auf diese Weise früh zu firmen
Reitern. Wir brachten es so weit, daß wir die Hengste auch ohne Bügel
ritten, erst auf Decke, dann auf englischem Sattel. Ohne Bügel zu reiten,
befördert wie kein anderes Mittel die Fertigkeit, Sitz und gute Haltung auf
dem Rücken des Pferdes zu behaupten und es richtig zu lenken. Ein anderes
Vergnügen war das Schlittschuhlaufen, das wir bei der Strenge des mecklen-
burgischen Winters monatelang treiben konnten. Als ich einmal mit meinem
Bruder Alfred über das Eis des Zierker Sees hinflog, brach ich plötzlich ein.
An einer Stelle, wo auf dem Grunde des Sees eine warme Quelle sprudelte,
hatte die Eisdecke nicht die Stärke gehabt, mich zu tragen. Das Wasser
reichte mir bis fast an den Mund, ich stampfte mit den Füßen, um nicht
unterzugehen, und rief meinem Bruder zu, sich auf den Bauch zu legen und
mir den langen Schal zuzuwerfen, den er um den Hals gewickelt trug.
Auf diese Weise zog er mich zu sich hin, bis ich eine Stelle erreicht hatte,
wo die Eisdecke wieder fest war und uns beide tragen konnte. Dann setzten
wir unseren Eislauf in noch schärferem Tempo fort, erquickten uns am
gegemüberliegenden Ufer durch einen heißen und sehr steifen Grog, den
man, wenigstens damals, als das Nativnalgetränk der Mecklenburger
bezeichnen konnte, und kamen ohne Schnupfen davon.
Unsere Eltern ließen uns nach Herzenslust Ausflüge in die Umgebung
und auch längere Fußwanderungen unternehmen. Bei einer dieser Wande-
rungen kamen wir nach der „gauden Stadt Nigen-Bramborg“. In einer
kleinen Wirtschaft der Stadt Neu-Brandenburg wurde uns Fritz Reuter
gezeigt. Er saß, den Kopf in beide Hände gestützt, schwer betrunken vor
einem hölzernen Tisch, auf dem viele leere Flaschen standen. Man weiß,
daß Reuter während der langen Festungshaft, die er auf Grund der
unsinnigen Karlsbader Beschlüsse durchzumachen hatte, dem Trunke
verfallen war.
Der Anfang, das Ende, o Herr, sie sind dein!
Die Mitte dazwischen, das Leben, war mein.
Und irrt’ ich im Leben und fand mich nicht aus,
Bei dir, Herr, ist Klarheit, und licht ist dein Haus
hat Fritz Reuter kurz vor seinem Tode in ein Stammbuch geschrieben.
Seine „leiwen Landslüt, die Landslüt von Meckelnborg und Pommern“,
Neu-
Brandenburg