Die dorische Wanderung. 89
und Altaͤre; von dem neurepublikanischen Hasse gegen das Königthum und
der Schwärmerei für die Republik wußte man in den alten Republiken
der Griechen nichts. Wenn aber ein Bürger durch List und Gewalt, ja
selbst durch den Willen der Mehrzahl Gebieter einer Freistadt wurde, so
nannten ste ihn „Tyrann“, welches Wort erst später, da mebrere der-
selben durch Habgier und Grausamkeit berüchtigt wurden, seine gehässige
Bedeutung „Wütherich“ erhalten hat. Der alte Tyrann (d. h. Herr-
scher) hat seinen Namen im Gegensatze zu dem Erbkönige; viele Ty-
rannen waren Wohlthäter ihrer Städte, vom Volke selbst gegen die Ari-
stokratie erhoben oder zur Herstellung eines gesetzlichen Zustandes mit
dieser Macht bekleidet worden, daher man vielen den Titel „Bürger-
könig“ geben könnte.
Bie vorische Wanderung (1104 v. Chr.).
Nach dem trojanischen Kriege und noch vor Homer, aus dem wir
die alten Könige kennen, erlitt Griechenland eine große Erschütterung
durch die Wanderung des dorischen Stammes. Die Thessalier rückten
aus Thesprotien in das von ihnen benannte Land ein und trieben die
früheren dolischen Bewohner nach Böotien, aus welchem die Minvper
verdrängt wurden, die nach verschiedenen Richtungen auswanderten. Erst
nach oft wiederholtem Angriffe bemeisterten sich die Dorer der Land-
schaften des Peloponneses und drängten die Achäer an den nördlichen
Küstenstrich, welcher von setzt an Achaja heißt; Arkadien verblieb durch
seine natürlichen Schutzwehren und die Tapferkeit seiner Bewohner seinen
alten Eigenthümern. Die dorische Besitzuahme jedoch ging nur sehr lang-
sam vor sich; die Eindringlinge besetzten in der Regel einen wohlgele-
genen Punkt, befestigten denselben und beunruhigten von da aus die
Gegend, während die alten Einwohner sich in ihren Festen hielten und
dem Feinde Gleiches mit Gleichem vergalten. Am Ende ermüdeten sie
gegen die kriegerischen Dorer, wanderten aus oder wurden tributpflichtige
Unterthanen der neuen Landesherren, viele wurden auch zu Leibeigenen
gemacht. Diese dorische Eroberung des Peloponneses (1104 v. Chr.)
beißt der Heraklidenzug, weil die dorischen Führer sich der Nachkommen-
schaft von Herakles rühmten und von diesem Ahnherru her Ansprüche
auf den Besitz eines Theiles der Halbinsel ableiteten. Die Dorer dran-
gen aber aus dem Veloponnese über den Isthmus vor und eroberten
Megara; mit Noth erwebrten sich die Jonier in Attika ihrer wiederhol-
ten Einfälle. Nach der Sage verdankt Athen seine Errettung dem Opfer-
tode seines Königs Kodrus. Ein Orakel verhieß nämlich den Athenern
Sieg, wenn ihr König durch Feindeshand falle; aber eben deßwegen
verabredeten sich die Dorer, des Königs Leben in der Schlacht zu scho-
nen. Da verkleidete sich Kodrus als Hirte, ging in das feindliche Lager