Perikles. 137
wäre noch viel mehr bellenisches Blut vergossen worden, denn die Fehden
der Städte würden wieder mit der frühern Heftigkeit ausgebrochen sein
und die Macht Griechenlands hätte sich wieder so zersplittert, als sie
vor dem Kriege gewesen. Perikles machte Athen zum Mittelpunkte der
griechischen Macht, darum mußte es auch stark sein und die kleineren
Staaten mußten sich einige Beschränkungen ihrer politischen Unabhängig-
keit gefallen lassen. Ein Schatz war für Athen nothwendig, denn ohne
Geld läßt sich keine Seemacht erhalten; darum erhöhte er die Beiträge
der Bundesgenossen bis auf 600 Talente jährlich.
Die Stadt selbst konnte auch nicht auf die alte, fast unveränderliche
Zahl ihrer Bürger beschränkt bleiben; dies war nur in Staaten möglich.
wo die Bürger der großen Mehrzahl nach von untheilbaren Grund-
stücken leben; in einer Seestadt, in der sich Fremde ansiedeln müssen,
wo die Ausrüstung der Schiffe, die Geschäfte des Verkehrs, die ver-
schiedenen Gewerbe so vielen Verdienst schaffen, muß die Bevölkerung
rasch anwachsen, in Athen so gut als es in unserer Zeit bei den nord-
amerikanischen Städten, z. B. Newyork, Cincinnati u. s. w. der Fall
ist. Perikles breitete aber athenische Bürger über Inseln und Küsten
aus; auf Euböa, in Makedonien, Thrakien, auf Skyros, Kypern u. s. w.
wurde athenische Bevölkerung angesiedelt, indem die bezwungenen Städte
einen Theil ihrer Markungen abtreten mußten. So schuf er überall
nach der Weise der damaligen Politik (die Engländer und Nordameri-
kaner verfahren ebenso)) einen sichern Rückhalt für Athen, welches er zum
Mittelpunkte und Oberhaupte eines großen griechischen Bundes erheben
wollte. Die Feinde Athens mochten den Bund eine Herrschaft nennen,
jedenfalls ist aber noch nie, so weit die Geschichte reicht, eine Herrschaft
gerechter errungen worden als von Athen, denn es hatte „die Bundes-
genossen“ aus der Gewalt der persischen Satrapen und der einheimischen
„Tyrannen“ befreit, niemals auch sind die Beherrschten würdiger behan-
delt, in ihren Rechten weniger beschränkt und weniger mit Abgaben be-
lastet worden, als es den „Bundesgenossen“ von Athen geschah; denn
Athen gab ihnen die Demokratie, nach welcher Staatsform die gemeinen
Bürger in allen griechischen Städten, die dorischen nicht ausgenommen,
strebten und sicherte ihnen dieselbe, es ließ ihnen ihre Gesetze, Sitten
und Gebiete, selbst ihre Seemacht (nur Abfall wurde mit der Weg-
nahme des Gebietes bestraft), und verlangte nur eine Steuer, den so-
genannten „Beitrag“.
Die demokratische Berfassung Athens vollendet.
Vor Solon war Athen unbed eutend; hatte es doch Salamis an
das kleine Megara verloren! Die Eupatriden, die erbsässigen edlen
Familien, hatten die ganze Staatsgewalt in Händen; ihnen waren die