Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

Die Kriegsjahre bis zu dem Frieden des Nikias. 151 
Fast das gleiche Schicksal traf die große Stadt Mytilene auf Les= 
bos; sie fiel im vierten Jahre des Krieges von den Athenern ab und 
ermüdete diese durch langen Widerstand. Endlich mußte sie sich ergeben 
und auf den Antrag des Kleon, eines Lederfabrikanten, der nach Peri- 
kles Tod großen Einfluß gewonnen, erhielt der Feldherr Paches den Be- 
fehl, alle Waffenfähigen zu tödten. Erst am zweiten Tage, nachdem 
das Schiff mit dem Todesurtheil schon auf der See war, gelang es dem 
menschlichern Redner Diodotos, das Volk umzustimmen. Schuell eilte 
ein anderes Schiff mit der Gnadenbotschaft sort und kam gerade an, 
als die unbewaffneten Mytilenäer eben ihr Todesurtheil angehört hat- 
ten. Uebrigens war die Gnade nur eine halbe; denn 1000 Bürger 
und gerade die vornehmsten mußten doch sterben und das ganze Feld 
der Stadt wurde unter die Atbener vertheilt, welche es an die ehema- 
ligen Eigenthümer gegen einen jährlichen Zins übergaben. 
Zerstörung von Platää (427). 
Das beldenmüthige Platää, welches bei Marathon den Athenern 
allein unter allen Griechen zu Hilfe gekommen war, und seitdem aus 
Haß gegen Theben treu zu ihnen gehalten hatte, ging in diesem Kriege 
zu Grunde. Die erbitterten Thebaner verlangten nämlich die Bezwin- 
gung von Platää so lange von den Spartanern, bis diese endlich mit 
der gesammten Bundesmacht vor die kleine Stadt zogen, sie bestürmten, 
Holzhaufen um die Mauern aufschichteten und in Brand steckten, damit 
das Feuer auch die Stadt ergreife; doch schlug alles fehl und es blieb 
den Feinden keine andere Wahl, als die Stadt mit einer Mauer aus 
getrockneten Backsteinen und einem tiefen Graben zu umschließen. Nach 
einem halben Jahre waren die Platäer auf das äußerste gebracht; da 
schlugen sich etwa 300 in einer stürmischen Nacht durch, die anderen 
aber ergaben sich und wurden vor ein spartanisches Kriegsgericht ge- 
stellt. Sie beriefen sich vergebens auf ihre Thaten in den Perserkrie- 
gen; es wurde einfach gefragt, ob sie während des jetzigen Krieges 
Sparta und dessen Bundesgenossen irgend was genützt hätten Sie 
konnten nur mit Nein antworten, wurden beiseits geführt und Mann 
für Mann abgeschlachtet (im fünften Jahre des Kriegs, 427 v. Chr.). 
Die Gräuel auf Kerkyra. 
Gräulich wütheten in Kerkpra die Aristokraten und Demokraten 
gegen einander, ungefähr wie in den 90er Jahren in Frankreich die 
Republikaner und Vendéeer. Das gemeine Volk in Kerkpra hielt es 
wie in den meisten andern Städten mit den Athenern, weil diese über- 
all die unbeschränkte Demokratie einführten; die Vornehmen aber standen 
auf Seite der Spartaner, welche die Aristokratie beschützten, und so kam
	        
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