Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

Der Ungehorsam und seine Strafe. — Der Brudermord. 5 
dunkler materieller Urgrund aller Dinge, aus dem die Götter ebenso 
gut hervorgehen, als die anderen niederen Wesen auf der Welt, die be- 
lebten und unbelebten, und in den alle wieder zurückkehren und sich ver- 
lieren werden, wenn die Periode ihres Lebens und Daseins abgelaufen 
ist. Eben deßwegen hat bei ihnen auch das Mernschengeschlecht nicht 
Einen Schöpfer, sondern jedes Volk hat seinen eigenen Stammvater, 
bald einen Gott, bald einen Halbgott. Oder die göttliche Erdmutter hat 
nach der Mythe eines andern Volkes seinen Stammvater, den ersten 
Sterblichen, aus ihrem Schoße hervorgebracht; viele Völker rühmten 
sich solchen Ursprunges als eines nationalen Adels und wiesen es als 
eine Entwürdigung von sich, daß sie mit andern Nationen, die sie haßten 
oder verachteten, gemeinschaftlichen Ursprung haben sollten. So erhob 
sich nicht ein einziges heidnisches Volk zu der ächten menschlichen Würde, 
indem keines in allen Mitmenschen seine Mitbrüder, die Kinder eines und 
deeselben himmlischen Vaters anerkannte, und deßwegen konnte auch das 
hochgebildeiste Volk der vorchristlichen Zeit die schönste Blüthe der Mensch- 
heit nicht entwickeln; dies blieb dem Christenthume aufbewahrt, welches 
den Menschen wieder dem himmlischen Vater zurückgibt und die entzweite 
Menschheit durch ein höheres Band vereinigen will. Eine dunkle Abnung 
des paradiesischen Friedens ist alles, was bei einzelnen Völkern deutlich 
nachklingt; ihre Dichter singen von einem goldenen Zeitalter, wo die 
Götter den Sterblichen nahe waren, die Natur keine Schrecknisse bot, 
die Menschen keine Nahrungssorgen kannten und von Haß und Streit 
nichts wußten. Diese Lieder sind nicht etwa die Erzeugnisse der Phan- 
tasie der Dichter, sondern, wie sie ausdrücklich gestehen, sind es die ur- 
alten Sagen, deren Hauch zu ihnen, den Söhnen des ehernen Zeitalters, 
heruberwehte und sie zur wehmüthigen Klage stimmte. 
Der Ungehorsam nul seine Strafe. — Der Brubermord. 
Das Glück der ersten Menschen dauerte nicht lange, denn sie wur- 
den den Geboten Gottes ungehorsam und aßen von der verbotenen 
Frucht. Zur Strafe mußten sie Eden verlassen und ein Leben voll 
Mühe und Arbeit beginnen; im Schweiße ihres Angesichts sollten sie 
und ihre Nachkommen ihr Brot essen, Mangel und Entbehrung, Sorge 
und Kummer die Arbeit begleiten — und endlich kommt der Tod, 
der Leib zerfällt in Staub, aus welchem er genommen ist. Adam 
mußte den Tod schauen, bevor er selbst demselben unterlag; ein Jüng- 
ling, Abel, wurde das erste Opfer des Todes, ermordet von der Hand 
seines Bruders Kain. 
Seitdem ist die Erde oft von Blut geröthet worden: wenn die 
Leichname aller derer, welche durch Menschenhand den Tod fanden, von
	        
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