Die philosophischen Schulen. Pythagoras. 173
Bestand, nichts einen andern Werth als einen augenblicklichen; sie
mußte sehr gefährlich werden, wenn sie irgendwo Eingang fand, denn
daß die Götter neben den Atomen keinen Platz haben, mußte jedem
einigermaßen denkenden Kopfe bald klar werden. Angragoras aus Kla-
zomend vervollkommnete diese Lehre, indem er die Atome mit bestimmten
Eigenschaften begabte, sie aber von einer böchsten Vernunft bewegen
ließ, welche alles weiß und kann (nach 500). Anaxagoras hielt sich
größtentheils in Athen auf und war ein Freund des Perikles. Das
Bolk hörte aber, daß der Philosoph die Sonne eine feurige Masse ge-
heißen und dem Mond die Größe des Peloponneses beigelegt habe, und
zwang ihn als Götterlästerer zur Flucht nach Asien; denn nach der
Hellenischen Religion waren Sonne und Mond keine Massen, sondern
göttliche Wesen, Apollo und Artemis.
Ebenfalls ein Kleinasiate, aus Kolophon, war der Stifter der
eleatischen Schule, Kenophanes (540), der nach Elea in Unteritalien
auswanderte. Er lehrte, die Welt selbst sei das Ewige und Unver-
änderliche, das immer Eine, in allen Veränderungen sich doch immer
Gleiche. Die Welt war ihm also gleich der Gottheit und seine Lehre
setzte er der Volksreligion ausdrücklich entgegen, so daß sie zugleich die
Grundlagen der Sitte weghob. Von den Eleaten rührt die Eintheilung
der Materie in die vier Elemente und von dieser Schule wurde nament-
lich die Dialektik ausgebildet; sie erkannte als einzige Quelle der Er-
kenntniß die menschliche Bernunft, gab aber die Unvollkommenheit der-
selben mit Betrübniß zu.
Pythagoras (580—5007).
Besondere Berühmtheit unter den Philosophen erlangte Pythagoras
von Samos (580—500), welcher nach Kroton in Unteritalien wanderte,
wo er die meiste Zeit lebte und lehrte. Er war weit gereist, hatte
namentlich auch mit den ägyptischen Priestern Umgang gepflogen und soll
von denselben in ihre Geheimlehren eingeweiht worden sein. Ihm ist
die Welt ein harmonisch geordnetes Ganzes und Zahl und Maß in
allen Dingen. In der Mitte der Welt ist die Einheit als Centralfeuer,
von welchem Leben und Wärme in alle Wesen ausströmt, die sich in
den zehn Sphären um die Einheit bewegen, daher auch Götter, Geister,
Menschen und Thiere zu einander in abgesiuften Verwandtschaftsgraden
siehen. Die menschliche Seele ist ein Funke aus dem Centralfeuer,
welche durch verschiedene Leiber wandert bis sie hinlänglich geläutert ist;
darum schonte Pyhhagoras auch das Thierleben und erlaubte die Tödtung
nur als Opfer. Seins Schüler durchdrang der tiefe, religiöse Sinn
ihres Meisters; ihr Leben trug eine beinahe priesterliche Auszeichnung
an sich, indem sie durch religiöse Uebungen, Enthaltsamkeit, geheime