178 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
lichem Hasse geleitete Männer, nämlich der Poet Melitus, der Demagog
Anytus und ein gewisser Redner Lykon, förmlich an, er glaube nicht an
die Götter der Stadt und führe neue ein; er verderbe die Jugend und
verachte das Volk. Sokrates wurde vor Gericht geladen, erschien vor
den Heliasten jedoch nicht wie ein Angeklagter, der um ein gnädiges Ur-
theil bittet, sondern als ein stolzer Mann, der sich höher fählt, als die,
welche über ihn absprechen wollen. In diesem Geiste führte er seine
Vertheidigung; als er nach athenischem Gerichtsbrauche gefragt wurde,
welche Strafe er sich selbst zuerkenne, antwortete er, daß er verdient
habe, wie die Sieger von Olpmpia oder die Prytanen auf Kosten des
Staates zu leben, denn er habe lange Jahre daran gearbeitet, die
Athener weise und tugendhaft zu machen. Da verurtheilten ihn die
Richter mit geringem Mehr zum Tode und ließen ihn das büßen, was
die sophistischen Religionsverächter verschuldet hatten. Er wurde in das
Gefängniß abgeführt und sollte den Schierlingsbecher trinken; doch ver-
zögerte es sich einige Tage, weil eben das Prozessionsschiff der Athener
nach Delos unterwegs war und durch widrige Winde aufgehalten wurde;
während dieser Fahrt aber durfte in Athen kein Verbrecher hingerichtet
werden. So konnten seine treuen Schüler noch einige Tage länger um
ihn sein; einer derselben, der reiche Kriton, hatte den Kerkermeister be-
stochen, Sokrates konnte entflieben, wollte aber nicht, und verwies es
seinem Freunde, daß er ihn zum Ungehorsam gegen die Gesetze der
Stadt verleiten wollte; er habe die Wohlthaten der Gesetze lange ge-
nossen, und wenn ihm nun Unrecht geschehe, so entspringe daraus kein
Recht für ihn, die Gesetze zu brechen. Sokrates wünschte zu sterben;
er wollte durch das Thor des Todes in den Tempel der Wahrheit ein-
gehen; denn all sein Denken und Forschen hatte ihn nur zu dem Ge-
ständnisse gebracht: „Ich weiß, daß ich nichts weiß.“ An seinem Todes-
tage sprach er mit seinen Schülern über die Unsterblichkeit der Seele und
von seiner Hoffnung, im Jenseits ein schöneres und helleres Leben zu
beginnen, von dem das jegige nur ein Widerschein sei; er tröstete die
Weinenden, und als mit dem Untergang der Sonne der Augenblick da
war, wo ihm der Giftbecher gereicht wurde, trank er ihn mit uner-
schüttertem Gemüthe. Dann ging er einige Augenblicke auf und ab,
wie ihm der Gefangenwärter gerathen hatte, bis er Müdicgkeit in den
Beinen fühlte, legte sich nieder, verhüllte sein Angesicht und starb (399).
— Bald bereuten die Athener ihre Ungerechtigkeit und ihren Mißgriff,
setzten dem Sokrates Ehrensäulen und bestraften seine Ankläger.
Die Schüler des Sokrates. Ienophon, Aristipp, Antisthenes. Platon.
Von den Schülern des Sokrates hat der edle TLenophon, jener An-
führer bei dem Rückzuge der Zehntausend, die Worte und Lehren seines