184 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
wegen mangelhafter Rüstung; denn seit ganz Hellas frei geworden, stand
nirgends mehr eine große Macht da. Daher mußte allen Staaten sehr
daran liegen, das Anwachsen Makedoniens zu hindern. Demosthenes
(geb. 384), der sich mit unsäglicher Anstrengung zum ersten Redner
Griechenlands gebildet hatte, kannte die Schwäche Griechenlands und
Athens ebenso gut, als er die Plane des Makedoniers durchschaute. Die
Athener hörten wirklich auf ihn; mehr als einmal ging eine Gesandt-
schaft aus Athen nach Makedonien, um den Stand der Dinge in der
Nähe zu beobachten. So viele Gesandte aber kamen, so viele wurden
in der Regel auch von Philipp gekauft oder wenigstens getäuscht. Sie
kehrten mit ganz befriedigenden Berichten nach Hause und die Athener
fanden es selbst begreiflich, daß Philipp nicht habe anders handeln können,
weil er von den Städten gereizt und herausgefordert wurde, also der
beleidigte Theil war. Am meisten brruhigte sie die Schilderung von
Milipps Lebensweise; er sei ein Trinker, ein Possenreißer, ein Wollüst-
ling, vernahmen sie, und weil ob denselben Ursachen viele von ihnen
selbst zu nichts Ernstem mehr taugten, so trösteten sie sich damit, bei
Nbilipp werde dasselbe auch der Fall sein; dieser war jedoch kein willen-
loser Sklave seiner Lust, obwohl er sich oft genug entwürdigte. Kam
wieder Nachricht von einem neuen Fortschritte des Königs zu den Athe-
nern, und erregte Demosthenes abermals ihre Besorgnisse, so daß sie
einsehen mußten, welches Ziel der makedonische König anstrebe und er-
reichen werde, wenn man ihn fortfahren lasse, so traten wieder andere
Redner auf, unter ihnen Aeschines, nach Demosthenes der ausgezeichnetste,
welche den patriotischen Besorgnissen des Demosthenes und des Volkes
alle Gerechtigkeit widerfahren ließen, aber zur Vorsicht ermahnten und
vor jedem üÜbereilten Schritte warnten. Dies leuchtete dem Volke abermals
ein und so ging jedesmal die günstige Zeit verloren; Olpnth, ein Pfahl
im makedonischen Fleische, bat Athen um schleunige Hilfe; sie wurde
zugesagt, aber aufgeschoben, und unterdessen wurde Olpnth verrathen und
vertilgt.
Und dennoch ermattete Demosthenes nicht; er kannte die Verkom-
menheit seines Volkes, doch der Hoffnung vermochte er nicht zu entsagen,
daß es sich noch einmal erheben könne; der Gedanke war ihm unerträg-
lich, daß die Freiheit Griechenlands an den makedonischen König ge-
opfert werden sollte, der selbst ohne Treu und Glauben nur auf die
Schlechtigkeit unter den Griechen rechnete und Griechenland mit der List
eines betrügerischen Spielers zu gewinnen sich unterstand. Demosthenes
sab im Geiste mit der makedonischen Oberhoheit über Griechenland die
Freiheit (die allerdings von den Griechen nicht nur mißbrauchte, son-
dern entehrte) verloren gehen, ohne daß deßwegen Ordnung, gute
Sitte, Friede und Wohlstand des Landes gewannen; denn wenn auch