Der zwelte punische Krieg. Hannibals Entwürrfe. 269
vielmal unter den Vorposten nur in seinen Mantel gehüllt auf bloßer
Erde. Dieser Feldherr (nach Napoleons Urtheil einer der größten des
Alterthums) setzte es durch seine Partei im Senate von Karthago durch,
daß der Krieg beschloßen wurde; die Kriegserklärung wollte er den
Römern selbst überlassen.
Hannibal gehörte zu den Männern, welche den Gang des Geschickes
erkennen; ihm war es klar, daß Rom und Karthago nicht länger neben
einander zu bestehen vermochten; er sah, wie die Stärke Roms mit
jedem Tage wuchs, und daß in kurzer Zeit die Streitkräfte von ganz
Italien demselben zu Gebote stehen würden, während jetzt Gallier,
Ligurer, Griechen, Lukaner und Samniter die noch neue Herrschaft der
Römer mit Unwillen, wenn auch mit verzagtem, ertrugen. Er rechnete
auf die Unterstützung des makedonischen Königs Philipp III., welchem
der illprische Krieg der Römer und ihre Eroberung der dalmatischen
Küste, ihr Bund mit Korcyra, mit den Epiroten und den Athenern, ihre
Begrüßung der Actolier eine baldige Einmischung Roms in die Ange-
legenheiten Griechenlands voraussagte. Wie hätte auch König Philipp
unthätig zusehen können, daß eine Republik ihre mächtige Hand über
das adriatische Meer herüberbot, während er mit dem ätolischen und
achäischen Bunde zu thun hatte und die republikanischen Regungen von
Athen und Epirus bis Thessalien seine ganze Wachsamkeit in Anspruch
nahmen, so daß ihm die Waffen nicht genügten, und er zum Giftmischer
wurde, um den Bater des achäischen Bundes, den Aratus, 213 v. Chr.,
aus dem Wege zu räumen? Hannibal erwartete viel von dem Bünd-
nisse mit dem makedonischen Könige gegen die Römer, welche die Fackel
der republikanischen Propaganda auf griechischem Boden zu schwingen
drohten; drei römische Legionen in Böotien oder Attika, waren sie für
den dritten Philipp nicht gefährlichere Prediger „der Freiheit“, als einst
Demosthenes für den zweiten gewesen? Hannibal wollte indessen die
NKömer nicht zur See und nicht in Sicilien bekämpfen, sondern in
Italien selbst einbrechen, Gallier, Lukaner, Samniter und Griechen durch
gewonnene Schlachten zu sich herüberziehen, Rom auf Latium beschränken
und durch Entkräftung zum Frieden nötkhigen. Was dem Pyrrhus
beinahe gelungen war und vielleicht ganz gelungen wäre, wenn er sich
nicht von den Römern weg nach Sicilien gewandt hätte, das hoffte der
karthagische Feldherr auszuführen; ihm war es dabei nicht um kriegerische
Abenteuer, nicht um Schätze und Herrschaft für sich zu thun, wie dem
Pyrrhus, welchem jeder Krieg willkommen war, der Ruhm und Geld
versprach, sondern er zog mit dem festen Glauben gegen die Römer,
fetzt oder niemals könne Rom befiegt und Karthago gerettet werden.