Das Ackergesetz des Tiberins Gracchus. 293
und wenn sie ihnen nicht nachmachen können, so greifen Unzufriedenheit,
Neid und Zorn um sich. Das gemeine Volk war damit nicht zufrieden,
wenn es bald von dieser, bald von jener vornehmen Familie eine Spende
erhielt; es betrachtete dies als einen hingeworfenen Brocken von dem
großen Schmause, der nach der Volksmeinung dem ganzen Volke ge-
hörte, weil das Volk ihn mit dem Schwerte erobert habe, und wenn
Tausende von dem Adel und den vornehmen Familien ernährt und
unterstützt wurden, so gab es andere Tausende, welchen es nicht so gut
ging, aber die einen wie die anderen glaubten darauf Anspruch zu haben,
daß der weltgebietende Staat jedem Bürger sicheres Brod verschaffe, und
dieses um so mehr, weil die vornehmen Familien Millionen und Mil-
lionen aus dem Staatsdienste zogen.
Das Achergesetz des Ciberins Grarchus (133 v. Chr.).
Diese Unzufriedenheit des Volkes mit seinem Zustande, dieser Zorn
gegen die Vornehmen, von denen es sich beeinträchtigt glaubte, das
wachsende Verderbniß bei der müßigen Volksmasse in der Stadt, in die
sich Bürger aus allen Gegenden Italiens zusammendrängten; der zu-
nehmende Stolz der Vornehmen bei zunehmender Habsucht und Ver-
schwendung — dies alles überzeugte den Tiberius Sempronius Gracchus,
daß Rom dem Verderben anheimfalle, wenn solchem Unwesen nicht bei
Zeiten Einhalt gethan werde, und das einzige Mittel glaubte er in der
Erneuerung des licinischen Ackergesetzes zu finden. Tiberius Gracchus
war ein Mann aus vornehmer Familie, durch seine Mutter Kornelia
von dem älteren Scipio Afrikanus abstammend, durch seine Schwester
Sempronia mit dem jüngeren Afrikanus verschwägert; er hatte sich bei
dem Sturme auf Karthago ausgezeichnet, war mit Mancinns gegen
Numantia gezogen und wäre von dem Senate, der den Vertrag des
Mancinus nicht anerkannte, beinahe den Numantinern ausgeliefert wor-
den, was in seinem Herzen einen bitteren Groll gegen den Senat zurück-
ließ; dieser Groll mag ihn gegen die herrschenden Familien gestachelt
haben, jedoch anerkannten selbst seine Feinde, daß seine Absichten gut,
wenn auch seine Mittel verwerflich gewesen seien. Seine Anträge Cals
er 133 das Volkstribunat begleitete) lauteten dahin: 1)) Kein römischer
Bürger darf von dem Staatsacker mehr als 500 Jucharte besitzen; doch
soll für jeden minderjährigen Sohn ein Mehrbesitz von 250 Jucharten
erlaubt sein. 2) Die Aecker, welche von den mehr als das gesetziche
Maß Besitenden berausgegeben werden, sollen in Stücken von höchstens
30 Jucharten unter die armen Bürger vertheilt werden. 3) Die, welche
herausgeben müssen, sollen wegen ihres ungesetzlichen Besitzes nicht nur
nicht gestraft, sondern vielmehr aus dem Staatsschatze entschädigt wer-
den. 4) Die Aecker, welche auf diese Weise den armen Bürgern zufal-