Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

296 Die Römer. 
K. Grarchus (123—121 v. Chr. ). 
Des erschlagenen Tiberius Plane nahm sein Bruder Kajus auf, ein 
Mann von feuriger Beredsamkeit und Leidenschaft und nicht so billig wie 
Tiberius. Im Jahre 124 kehrte er eigenmächtig von seiner Quästur in 
Sardinien zurück, wurde aber von dem Volksgerichte freigesprochen und 
123 zum Tribunen erwählt. Er erneuerte das Ackergesetz seines Bru- 
ders und erweiterte es dahin, daß jedes Jahr Staatsländereien unter 
die armen Bürger vertheilt werden müßten; ebenso erneuerte er den 
Antrag wegen des attalischen Erbes. Das Volk war für ihn und er- 
nannte ihn 122 wieder zum Tribunen; nun stellte er neue Anträge: 
das Ackergesetz soll vollzogen, eine Kolonie nach Kapua geführt, dem 
Volke für einen geringen Preis Getreide abgegeben, die Richterkollegien 
nicht mit Senatoren, sondern Rittern besetzt, der Kriegsdienst abgekürzt, 
das Strafgesetz gemildert werden. Der Senat setzte ihm endlich den 
Livius Drusus entgegen, der noch populärere Anträge machen und den 
Gracchus in der Volksgunst ausstechen mußte. Nun überbot ihn aber 
Gracchus und machte den folgenreichen Antrag, den latinischen Bundes- 
genossen das volle römische Bürgerrecht und den italischen das latinische 
Recht zu ertheilen, wodurch die Volkspartei einen gewaltigen Zuwachs 
erhalten hätte. Dies ging jedoch für den Augenblick nicht durch und 
121 fand auch Kajus Gracchus, der nicht mehr Tribun war, einen 
blutigen Tod. Es handelte sich um die von ihm beantragte Kolonie; 
die Gegenpartei wollte die Ausführung hindern. Am Tage der Abstim- 
mung wurde ein Liktor von den Anhängern des Gracchus erschlagen, 
weil er sich grob geäußert hatte; die Abstimmung mußte unterbleiben. 
Am anderen Morgen sammelten sich beide Parteien, Gracchus wollte 
mit dem Senate unterhandeln, wurde aber als „Aufrührer“ abgewiesen. 
Der Konsul Opimius war des Grachhus persönlicher Feind und führte 
die Gegenpartei zum Kampfe; die kretensischen Bogenschützen verscheuch- 
ten das Volk, die Feinde des Gracchus setzten nach und erschlugen 
3000 Menschen; Grachhus selbst ließ sich durch einen Sklaven tödten, um 
der Rache seiner Feinde zu entgehen. Auch nach dem Siege verfolgte der 
Senat die Anhänger der Gracchen mit Hinrichtungen und Gefängniß, 
das Volk aber sah in ihnen die Martyrer seiner Sache. 
Der Senat vereitelte das Werk der Gracchen, so viel bereits aus- 
geführt war, durch ein Gesetz, welches die bereits vertheilten Grundstücke 
für verkäuflich erklärte, was bald benutzt wurde und alles arme Volk 
der Stadt wieder zurückgab. Dieses lebte nun wieder auf Kosten des 
Staates und der Reichen und verkaufte seine Stimme an diesenigen, 
die es am besten bezahlten; dadurch wurde es selbst ehrlos, stürzte auf
	        
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