346 Das Reich der Cäsaren.
selbst vergießen ließ) zur öffentlichen Lustbarkeit, und Cicero, der philo-
sophische Römer; glaubt diese Schauspiele gegen den Vorwurf der Un-
menschlichkeit damit in Schutz nehmen zu können, weil man dadurch ge-
gen die Schrecken des Todes abgehärtet werde! Da, meinte er, sehe der
Römer, wie leicht das Sterben sei, und wie wenig sich das fremde Ge-
sindel aus dem Tode mache. Die alten Römer hatten aber diese Schule
nicht gebraucht; die altgläubigen Patricier und Plebejer waren getrost
zu den Manen hinuntergestiegen) ohne vorher über die Leichtigkeit des
Sterbens und die Nichtigkeit des Lebens philosophische Betrachtungen
anzustellen.
Tie hochgedildeten, vornehmen Nmer und der haiserliche Despotismus.
Das Gefühl der Nichtigkeit lastete am drückendsten auf den vor-
nehmen Römern. Die Masse der Plebs konnte ihre Niederträchtigkeit ver-
gessen über Geld, Brot und Spiel, der vornehme Römer seine Verkom-
menheit nicht, denn dergleichen Dinge waren ihm, der im Ueberflusse
lebte und andere Genüsse kannte, eine Armseligkeit. Seine Väter hatten
die Welt erobert und regiert, nun gebot der Cäsar, und dieser fand für
gut oder sah sich vielmehr genöthigt, die Nachkommen der Senatoren-
familien in seinem Dienste zu verwenden. Eben dadurch gab er ihnen
einen Theil der Gewalt zurück, welche ihre Väter als Recht und Ehre
besessen hatten; sie hießen Konsuln, Prätoren, Prokonsuln und Proprä-
toren u. s. w. (wenigstens noch einige Zeit), kommandierten Heere und
dekretierten im Senate, aber wehe ihnen, wenn sie nicht thaten, was der
Cäsar wollte! Die römische Tugend war für den senatorischen Rest
eine Unmöglichkeit oder schlug für ihn zum Verderben aus. Worin
hatte diese Tugend bestanden 7 In der genauen Haltung der Gesetze
und diese war nichts anderes als die Bewahrung der republikanischen
Verfassung; denn Gesetz und res publica war ein und dasselbe Wesen.
Nun war der Name noch vorhanden, die Form nicht zerbrochen, und
doch der ganze Staat ein anderer, eine militärische Monarchie; die res
publica war jetzt der Imperator, sein Wille das Gesetz. Dem Gesetze
dienen bedeutete dem Imperator dienen, und das konnten die Nachkom-
men der nobiles nicht, wenn sie sich nicht des ererbten Charakters gänz-
lich entäußerten, wenn sie nicht Knechte sein wollten. Zur römischen
Tugend gehörte es einst, daß der vornehme gesetzeskundige Mann dem
geringeren zu seinem Rechte verhalf, ihn gegen Ränke und Gewaltthätig-
keiten schützte und den mächtigen Dränger in die Schranken des Gesetzes
zurückwies; so hatte nicht allein Cicero seine Laufbahn begonnen, son-
dern manch’' edler Römer vor ihm. Wer wollte aber unter dem Cäsar
Aehnliches wagen ? wer einen Vornehmen vor Gericht ziehen, wenn die-
sem die Gnade des Cäsars blühte? wäre es nicht wie ein Angriff gegen