348 Das Reich der Cäsaren.
Willen eines Einzigen sahen sie nicht die Strafe von einer höhern Welt-
ordnung ihnen dafür auferlegt, daß sie alle Völker unterjocht und ver-
nichtet hatten (gerade diese Unterjochung und Vernichtung galt als die
schönste Vätertugend); davon aber, daß mit der Vernichtung des alten
Römerthums eine neue Zeit für die Menschheit beginne, besaßen sie auch
keine, Ahnung; Rom war ihnen ewig, Rom das Menschengeschlecht, Rom-
die Welt.
Anuglauden und Aberglauben. Der Cäsar rin Sot#.
So wenig aber als die Ehre und die Tugend der Väter unter dem
Cäsarenthume Platz fanden, so wenig blieb den Nachkommen die Reli-
gion ihrer Bäter, auch die römischen Götter mußten neuen Göttern
weichen. Mit der Welt eroberten die Römer auch die Götter der Weltz
wie sie von Vesi die Juno nach Rom gebracht hatten, so holten sie aus
Asien die Kpbele, aus Aegypten den Serapis und die Isis, aus Grie-
chenland den Dionpsos, aus dem Morgenlande den Mithras. Die ve-
jentische Juno gehörte wenigstens in den Kreis der römischen Götter,
die fremden Gottheiten dagegen blieben den römischen fremd und ver-
langten fremde Kulte, dadurch wurden die fremden „superstitiones“,
gegen welche der alte Senat so manches scharfe Dekret geschleudert hatte,
in Rom einheimisch und diese zersprengten vollends die römische Reli-
gion und die römische Sitte, wenn die Gewöhnung an die fremden Lüste
von ihr noch etwas übrig gelassen hatte. In den Geheimdiensten der
Isis, des Dionysos u. s. w. mochte der Aberglaube eine Zufluchtsstätte
finden, der gebildete Römer sah in diesen neuen Religionen aber nur
eine Wiederholung des alten politischen Spieles, und zwar eine schlechte,
denn die griechische Philosophie, seine Bekanntschaft mit den verschiedenen
Religionen des Morgen= und Abendlandes nicht minder, bewiesen ihm
zu klar, daß die Religionen der Völker nur Mythen seien, in welche
Völker, Priester und Staatsmänner ihre Meinungen und Ahnungen von
dem Dasein höherer Mächte, ihre Furcht und Hoffnung für Gegenwart
und Zukunft gefaßt batten, durch welche sie die Einrichtungen des Staa-
tes, der Familie, das gesammte Leben mit einer heiligen Schutzmauer
gegen die Gewalt der wechselnden Leidenschaften hatten umgeben wollen.
Die römische Religion war zerbrochen, was sollten die fremden Reli-
gionen dem Römerthume nützen, der pontisch-ägyptische Serapis, die
ägyptische Ists, der persische Mithras, nachdem der kapitolinische Ju-
piter, die Stammväter Mars und Qutrinus Roms Schicksal nicht ge-
hindert hatten Auch die Juden, die in allen römischen Landen und
Städten zerstreut lebten, machten eifrig Proselpten; der ächte Römer
aber verachtete den schmutzigen, feindseligen Juden in der Fremde, und
das Treiben der Pharisäer mit ihren unendlichen Ceremonieen und ihrer