Unglauben und Aberglauben. Der Cäsar ein Gott. 349
Schaustellung wohlfeiler Frömmigkeit, der Sadducäer mit ihrer kalten
Leerheit, das blutige Wüthen dieser Parteien gegen einander, sobald sie
nicht durch die Furcht vor einem Mächtigen zurückgeschreckt wurden, die
Gräuel in dem Königshause des Herodes waren dem Römer in der
Regel so widerlich, daß er es nicht der Mühe werth hielt, dem geheim-
nißvollen Glauben eines Volkes nachzuspüren, welches unter allen Völ-
kern für den Römer das fremdgeartetste war. Die jüdischen Messias-
boffnungen vollends stießen die Römer zurück; Jerusalem sollte statt
Kom die Hauptstadt der Welt werden, den Cäsar sollte ein morgenlän-
discher Herrscher verdrängen und statt der Römer wollten die Juden zur
weltbeherrschenden Nation werden! Dies klang einem Römer wie baarer
Unsinn; wegen solcher Hoffnungen konnte nur ein nnächter Römer oder
ein Thor sich zum Juden machen lassen.
Einem neuen Gott mußte aber dennoch jeder Römer huldigen, näm-
lich dem Cäsar; selbst der ermordete Julius Cäsar wurde zum Gotte
und dem lebenden Cäsar Augustus wurden Tempel und Altäre errichtet.
Die Römer ahmten auch hierin die Griechen nach, welche Alerander
d. Gr., später den Demetrius Poliorketes, die Seleukiden u. a. in be-
ster Form als Götter erklärten und verehrten. Damals wurde schon
bemerkt, daß die Vergötterung eines Menschen dem bellenischen Glauben
nicht gerade widerstritt, und ebenso wenig war dies bei dem römischen
der Fall; nach diesem wurde die abgeschiedene Seele manis und eine
solche von edlerer Natur wurde lar, gelangte in die Wohnung der Göt-
ter und konnte auf die Erde zurückkehren, so oft es ihr gefiel, wo sie
dann über das Haus oder über die Stadt als Schutzgeist wachte und
Gefahren abwandte. Freilich hätte man zuerst auf den Tod des Men-
schen warten und dann aus den Zeichen, welche er als lar wirkte, er-
sehen sollen, daß ihm das hehre Loos zu Theil geworden sei, nicht in
der Unterwelt zu weilen gleich den sterblichen Menschenkindern gewöhn-
lichen Schlages, sondern bei den Göttern zu wohnen und mit diesen eine
Art Herrschaft über die irdischen Dinge zu üben; so hatte es die Vor-
zeit mit Romulus gehalten, der seine Gottwerdung durch ein Traumge-
sicht kund gab: aber man glaubte diese künftige Erhabenheit eines Men-
schen folgerichtig schon aus seiner Stellung auf der Erde schließen zu
können. Augustus stammte von der Venus ab, bei seinem ersten Kon-
sulate waren ihm wie dem Romulus 12 Geier erschienen, die Götter
begünstigten ihn wie noch keinen Menschen vor ihm, denn sie gaben ihm
eine Gewalt, wie noch kein Mensch, ja selbst kein Gott (denn im An-
fange walteten Götter und Göttersöhne auf der Erde) geübt hatte —
daraus folgte nothwendig, daß der Genius des Augustus höherer Natur
als der eines gewöhnlichen Menschen sein und ihm die höchste Ehre eines
Laren zukommen müsse. So konnte sich Augustus Tempel und Altäre