364 Das Reich der Cäsaren.
mentarisch gegeben haben, denn der Kaiser konnte nicht einer Bolksver-
sammlung eines der wichtigsten Hoheitsrechte überlassen, wenn er es für
gefährlich hielt, daß dieses Recht einmal gegen das Interesse des Kaisers
ausgeübt wurde, und was bürgte gegen einen solchen Fally Doch ge-
wann der Senat durch die Anordnung des Tiberius nur scheinbar; denn
bei den Wahlen durften die Senatoren nicht geheim abstimmen, sondern
sie mußten auf die Seite desjenigen treten (ire in partes), dessen
Wahlvorschlag sie annahmen; so übte der Kaiser gerade durch die Wab-
len die strengste Kontrole über die Senatoren.
Das Matestätsgesetz.
Durch das Masjestätsgesetz aber erhob Tiberius das Kaiserthum
vollends über die republikanischen Formen und bewies den Geringen
wie den Vornehmen, daß nicht allein die Macht, sondern auch die Hoheit
des Reiches auf der Person des Kaisers beruhe. Das republikanische
Majestätsgesetz strafte Hochverrath an der Republik, z. B. Verrätherei,
Rebellion, Gewaltthaten gegen die Magistrate; das kaiserliche Majestäts-
gesetz aber bestrafte den Hochverrath gegen den Kaiser. Diese Anwen-
dung des republikanischen Gesetzes auf die Person des Kaisers war die
natürliche Folge der Umwandlung der Republik in die Monarchie; denn
in der Monarchie lassen sich der Staat und die Person des Monarchen
nicht von einander trennen; man kann nicht dem Staate dienen, den
Staat ehren und lieben, dem Monarchen aber trotzen, ihn bassen und
verachten, sonst hat die Monarchie thatsächlich ein Ende. Verurtheilt
man den Tiberius, weil er das Majestätsgesetz auf den Kaiser anwandte,
so verurtheilt man ihn, daß er Überhaupt Kaiser wurde. Auch die Re-
publiken haben dies Gesetz unter verschiedenen Formen in Anwendung
gebracht, die demokratischen wie die aristokratischen, und die Personen
der Magistrate nie von dem Amte oder dem Staate trennen lassen. Daß
Tiberius auch Belcidigungen durch Worte und Schrift burch das Maje-
stätsgesetz ahndete, wurde ihm besonders zum Vorwurfe gemacht und
behauptet, unter der Republik seien Worte straslos gewesen. Dieses
ist aber nicht wahr, vielmehr hat es noch keine Aristokratie und keine
Demokratie gegeben, die sich ungestraft beleidigen und beschimpfen ließ.
Wie mag man überhaupt einem römischen Kaiser nur zumuthen, daß er
sich Schmähungen oder Spottreden von einem Volke gefallen lassen sollte,
das ihn zu seinem Gotte erkor und ihm Tempel und Altäre errichtete?
Ein solches Volk durfte zufrieden sein, wenn der Kaiser eine Beleidi-
gung nicht als Gotteslästerung bestrafte. Freilich hatte das Majestäts-
gesetz schon unter Tiberius schreckliche Folgen; da der Ankläger den vier-
ten Theil des Bermögens erhielt, das ein Verurtheilter hinterließ, so
war eine Lockspeise für die Ankläger (delatores) ausgeworfen, nach