366 Das Reich der Cäsaren.
und ihre Kinder so, daß sie nach und nach den Verdacht des Kaisers
verstärkten und er, weil er keine Prätendenten dulden wollte, alle aus
der Welt schaffen ließ, bis auf den schwachsinnigen Bruder des Germa-
nikus, den Klaudius, sowie den noch schlechter begabten Sohn des Ger-
manikus, den Kaligula, und einen jüngeren Bruder desselben. (So hatte
er bei seinem Regierungsantritte den Agrippa Posthumus ermorden las-
senz; er pandelte hiebei nach den Maximen der alten despotischen Mo-
narchieen, welchen selbst Alerander der Große nachgegeben hatte.)
Sejan ging nun einen Schritt weiter; er verführte die Livia, des
Kaisersohnes Drusus Gemahlin, und vergiftete durch dieses Weib den
Thronfolger; er warb um deren Hand, die ihm Tiberius zwar versagte,
aber doch noch keinen Berdacht gegen den Menschen schöpfte, dem er
sein ganzes Vertrauen geschenkt hatte. Vielmehr überlieh er ihm die
ganze Leitung der Geschäfte und entzog sich dem elenden Rom, indem
er in schönen Landhäusern seinen Aufenthalt nahm oder auf dem Felsen-
eiland Kapreä (Kapri) im herrlichen Golfe von Neapel lebte, das sein
Lieblingsplatz war. Aber endlich verrieth sich auch Sejan (31 n. Chr.)
die Wuth des Kaisers gegen den Mörder seiner Familie war gränzenlos;
und dieser Wuth opferte er nicht allein das Haus Sejans, sondern alle
Freunde desselben, vornehme und geringe, so daß ganz Rom zitterte.
Sein Menschenhaß und seine Menschenverachtung stürzten ihn in einen
verzweifelten Zustand; durch unnatürliche Lüste verdarb er sein Gemüth
vollends und wurde sich selbst zum Ekel. Was von seines Bruders
Familie noch übrig war, verkündete ihm eine schwarze Zukunft; „ich
ziehe da für das römische Volk einen Drachen auf“, dußerte er, auf
den Kaligula deutend; als dieser einst über ein Bild des Sulla spottete
(das Gesicht des alten Diftators war hochgeröthet), rief er ihm zu:
„Du wirst alle seine Laster und keine seiner Tugenden haben!“ Früh-
zeitig schon prophezeite er diesem Scheusale seinen Ausgang; der alte
Kaiser umarmte einen seiner Enkel, und als Kaligula einen wilden Blick
hinschoß, knirschte Tiberius: „Du wirst diesen umbringen und ein an-
derer dich!“ Auf seinem Sterbebette (16. März 37 u. Chr.) wurde
Tiberius durch den Tribunen Makro mit Kissen erstickt, als Kaligula
einen letzten Befehl deeselben fürchtete. — Tiberius hatte Kappadokien
und das sprische Komagene mit dem Reiche vereinigt.
4. Ciar- Kaligula (37—41).
Dieser erfüllte alles, was Tiberius geahnt hatte; er ermordete sei-
neu Bruder, heirathete eine Schwester, deren er hald satt wurde, mor-
dete die Reichen in der Stadt und in den Provinzen, verpraßte den
Schatz, den Tiberius gesammelt hatte (ein tüchtiges Finanzmann blieb
Tiberius auch in seiner tiefsten Herabwürdigung), bettelte und raubte.