368 Das Reich der Cäfaren.
mußte, wenn er sich erst an seine Herrschergewalt gewöhnt und erfahren
habe, was er alles zu thun vermöge. Seine Mutter wollte ihn be-
ständig meistern und drohte ihm mit dem Sohne des Klaudius, dem
Britannikus, wenn er trotzen wollte. Bald aber ergrimmte Nero und
vergiftete den Britannikus (55), und als er seine Mutter dadurch wohl
erschreckt, aber nicht gebessert sah, ließ er auch diese auf eine schauerliche
Weise ermorden (59). Nun fürchtete der Muttermörder denn doch eine
Empörung des Volkes; allein als er nach Rom zurückkehrte, wurde er
von Senat und Volk in feierlicher Prozession abgeholt; Mädchen streuten
Blumen auf den Weg und in den Tempeln sollte laut eines Senats-
dekrets den Göttern feierlich gedankt werden, weil der Kaiser den Ge-
fabren, die ihm Agrippina bereitet hatte, glücklich entgangen sei;z cin
solches Volk war sicherlich eines solchen Kaisers würdig. Hierauf tödtete
Nero auch seine unschuldige Gemahlin Oktavia (62), die Tochter des
Klaudius und der Messalina, und im Jähzorn die zweite, die buhlerische
Poppäa. Als eine Verschwörung gegen ihn entdeckt wurde, mußte sein
Lehrer Seneka sterben und viele vornehme Römer. Pätus Thrasea, der
Stoiker, gewissermaßen Nacheiferer des Kato, öffnete sich die Adern,
bevor sich der Senat durch ein Todesurtheil gegen sein würdigstes Mit-
glied entehren konnte.
Cbristenverfolgung.
Als die Stadt Rom (64 n. Chr.) größtentheils abbrannte, sagte
das Volk, Nero habe die Stadt anzünden lassen, um sich eine Vorstel-
lung von dem trojanischen Brande zu verschaffen. Durch diesen Ver-
dacht beunruhigt, klagte er die Christen in Rom als Mordbrenner an,
ließ viele einfangen, mit Stroh und Pech überziehen und dann anzün-
den, um als Fackeln bei den nächtlichen Rennspielen zu leuchten. Sonst
gab sich Nero viel mit Poeste und Gesang ab, trat sogar öffentlich als
Sänger auf und ließ seine „göttliche“ Stimme bewundern; auch als
Wagenlenker zeigte er sich auf der Rennbahn und wurde durch alles
dies bei dem Pöbel sehr beliebt. Endlich bekamen die Heere seiner satt;
aus Spanien zog der alte Galba heran, Nero sah sich in Rom von den
Prätorianern und dem Volke verlassen, flüchtete und ließ sich in der
Verzweislung am 11. Juni 68 von einem Freigelassenen todtstechen.
Salba. Stho. Vitellius (68—69).
Der alte Galba wurde von den Soldaten ermordet, weil er ihnen
zu karg war, und der Anstifter des Mordes, Otho, zum Kaiser ausge-
rufen. Aber die Legionen am Rhein wollten es den Prätorianern nicht
länger ausschließlich überlassen, nach ihrem Belieben Kaiser einzusetzen
und zu ermorden, sondern erwählten den feisten Vitellius. Dieser schickte