Bespasian. 971
Vespasian in Palästina.
Aber Nero machte nun Ernst mit dem Kriege und übertrug den
Oberbefehl dem Vespasian (67 n. Chr.). Dieser rückte von Antiochien
in Svrien gegen Galiläg vor, während sein Sohn Titus aus Aegypten
einsiel. Die Juden leisteten einen verzweifelten Widerstand; als Vespa-
sian das starke Jothapata genommen hatte, bekam er außer einigen Wei-
bern keine Gefangenen, denn die Juden hatten sich unter einander selbst
getödtet. Ihr Anführer Joseph, ein Pharisäer aus dem Geschlechte der
Makkabäer von mütterlicher Seite, hatte sich mit 48 Juden in einen
tiefen Brunnen gestüchtet; solcher Brunnen waren nämlich in den Kalk-
felsen Palästinas sehr viele, und über dem Wasserspiegel hatte man in
ältester Zeit Seitenhöhlen eingegraben, welche im Kriege als Zufluchts-
stätten dienten. Die Gefährten des Joseph warfen das Loos, in welcher
Reibenfolge sie sterben sollten, und trieben dies so lange, bis nur er
mit einem einzigen noch am Leben war. Diesen beredete er, sich mit
ihm der Gnade der Römer zu übergeben. Und als er vor Vespasian
geführt wurde, prophezeite er diesem seine Erhebung auf den Kaiser-
thron, auf welches hin Vespassan Befehl gab, den Gefangenen aufzube-
wahren; er wurde der Geschichtschreiber des jüdischen Krieges, lebte noch
93 n. Chr. und hinterließ die für Kenntniß seines Landes und Volkes
in seiner Zeit wichtigsten Schriften.
Zerstörung Jerusalems durch Titus (70).
Nachdem Vespasian von den orientalischen und mösischen Legionen
als Kaiser gegen den Vitellius ausgerufen war, ging er nach Ztalien
und übergab die Führung des jüdischen Krieges seinem Sohne Titus.
Langsam zog dieser mit seinem Heere gegen Jerusalem, den Sitz des
Krieges, beran und ließ vielen tausend Juden Zeit, sich dort zu dem
Osterfeste zu versammeln; dann erst umschloß er die mit Menschen an-
gefüllte Stadt. Am 7. Mai des Jahres 70 begann die Belagerung.
Jerusalem war sehr fest durch Natur und Kunst; allein der Ausdauer
und Kriegskunst der Römer vermochten weder Mauern noch Thürme,
noch die Wuth der Juden auf die Dauer zu widerstehen. Durch den
Schwung des einige 1000 Centner schweren ehernen Widders brachen
sie die gewaltigsten Quadern, die Ballisten schleuderten ganze Felsstücke
und bald war die erste Mauer durch eine klaffende Sturmlücke gespalten.
Schon am 15. Tage der Belagerung drangen die Römer durch dieselbe,
und fünf Tage darauf durch die zweite Mauer, wurden aber mit Ver-
lust zurückgeworfen und setzten sich erst vier Tage später fest. Nun
richteten sie ihren Hauptangriff gegen die Burg Antonia, welche die
zugängliche Seite des Tempels deckte. Erst nach unsäglicher Mühe und
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