382 Das Reich der Cäsaren.
die Menschen erlaubt, aber die Schranken der eigenen menschlichen Natur
doch nicht wegzuräumen vermag. Der Sinnengenuß erschöpft sich in
Ekel, der Ehrgeiz erlischt in der Fluth der Schmeichelei, die alle Ehren
häuft ohne eine That abzuwarten, die Achtung vor den Menschen in
der Niederträchtigkeit, mit der ihnen alles zu willen ist, und selbst der
Stolz bricht zusammen, wenn es ihnen plötzlich klar wird, daß sie die
betrogenen Werkzeuge ihrer Diener waren. Hat man den Suetonius
bis zur Thronbesteigung des Vespasian (der die Strenge des Feldlagers
auf Beamte und Volk anwandte) begleitet, so haftet ein Eindruck auf
unserm Gemüthe, welcher nur mit dem zu vergleichen ist, den der An-
blick und Geruch einer Stadt in uns erregt, in welcher eine Seuche an
dem Leben der Bevölkerung zehrt.
Dieses Gefühl wird durch Juvenal noch erhöht, welcher uns in
seinen Satiren den sittlichen Zustand des vornehmen und geringen Römer-
volks enthüllt. Seine Satire geißelt nicht wie die des Horatius die
menschlichen Thorheiten und Schwächen mit geistreichem Spotte, sondern
sie zerreißt im Zorne die Hüllen, mit welchen sich das Laster deckt und
zeigt es in seiner nackten Häßlichkeit. Trost weiß auch Juvenal keinen;
wie Tacitus blickt er in die republikanische Vergangenheit zurück, wenn
er seinen Schmerz ob seiner traurigen Zeit kühlen will. Kaiser Hadrian
verbannte ihn nach Aegypten; er konnte an einem Dichter kein Wohl-
gefallen haben, der das Haus der Cäsaren als eine überfließende Quelle
der Laster bezeichnet und die dem Kaiser so lieben Griechen als Be-
trüger, Gauner, Glücksritter und Windbeutel darstellt, die an Rom wie
ein Schmarotzergewächs an einem Baume zehren.
Zu diesen Dreien, denen die bessere Zeit des Cäsarenreiches er-
laubte, das ungeheure Verderben, welches die schlechteren Herrscher an-
gerichtet hatten, mit dem Griffel der Wahrheit zu zeichnen, gehört in
mancher Hinsicht auch der ältere Plinius, der Naturforscher, der bei dem
Ausbruche des Vesuvr umkam, als ihn seine Wißbegier zu nahe führte.
In seiner Naturgeschichte gab er den Römern seine Ausbeute aus 2000
Schriften, einen Inbegriff von allem, was griechischer Fleiß und Scharf-
sinn über Erde und Welt erforscht oder erdacht hatte. Sein Werk ist
keineswegs ausschließlich eine Naturgeschichte; die freie Form, die er
ihm gab, erlaubte ihm vieles andere in seinen Bereich zu ziehen; so
überliefert er die werthvollsten Notizen über Kunstwerke und Kunst-
geschichte, Uüber Ackerbau und Baumzucht, Geräthe, Lebensweise u. s. w.
und wird dadurch zu einer Hauptquelle für die Geschichte der alten
Kultur. Auch der Pbilosophie wendet er manchmal seinen Blick zu; die
römische Religion ist bei ihm von ihr zerstört. Das All und Eine ist
sein Göttliches und die mythischen Götter würde er für sehr unglücklich
halten, wenn sie durch ihre Unsterblichkeit verurtheilt wären, die Last